Cornel Zwierlein Florian Wagner (Chair of the panel)

Close Distance. Social Segregation in Trading Empires and Colonies

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Abstract

Historically, societies often are not first united and become then divided, but they get aggregated by way of migration or by imperial conquest or colonisation. Often those different parts of a society do not merge and integrate completely, but they maintain for a long time manifest though perhaps invisible forms of distinction, separation and segregation. With the term Close Distance we try to cover a wide span of those forms of coexistence that might help to effectively compare across the periods: “racial segregation” would be a term seldom fitting for premodern times, but the roots of such forms of spatial segregation in large nineteenth and even twentieth century cities are reaching far back into early modern times at least. In trade cities and colonial towns those patterns of both peaceful exchange among merchants as well as of conflictual coexistence emerge: of a parataxis of physical closeness on the one hand, and of a unconsciously or even consciously maintained distance on the level of culture. The examples of this panel are: economies of trust and mistrust in the possessions of the Dutch Vereenigde Ostindische Companie in Indonesia; Ignorance and knowledge barriers at courts and tribunals in the Dutch Atlantic colonies; ignorance and unconscious non-knowledge concerning the religion of the Eastern Churches on the side of European Levant merchants in the Mediterranean. In high colonial times of the nineteenth century, the more rigid forms of close distance between ´colonizers´ and ´colonized´ emerge at the same time as a far more reflexive and empiricist approach that stands juxtaposed to that very dichotomy: ideologies of segreagtion in Colonial Africa go hand in hand with the early ethnological research into customs and customary law of the ´indigenous´. For the period of decolonisation, the wider notion of Close Distance is very helpful again as it points to the unintentional forms of misunderstanding, ignorance, the continuities and traditions of separate life styles in every-day culture as they become visible only in conflicts and lawsuits. The panel aims at such a sketch of a history of segregation in a global and transepochal comparison in a new way beyond the sometimes belittling speech of “hybridisation” and “mix of cultures, métissages”, without denying that important processes and phenomena of that kind were and are happening. Not knowing of each other, to ignore the other consciously or unconsciously – Societies of and in close distance.

Cornel Zwierlein (Bamberg/Erfurt/Bochum) Florian Wagner (Erfurt)
Introduction
Remco Raben (Utrecht/Amsterdam)
Moral communities in Dutch Asia: Trust and exclusion in colonial societies in the 18th century
Die VOC hatte bis weit ins 18. Jh. in Indonesien nur einige strategische Handelsplätze in Besitz genommen, die territoriale Expansion in Java erfolgte erst relativ spät und griff zunächst nicht auf das restliche indonesische Archipel über. Indonesien und die Levante liegen so, trotz anderer herrschaftsrechtlicher Stellung als bei den Händlerkolonien unter osmanischer Oberherrschaft in der Levante, vom Erscheinungsbild strukturell durchaus nah beieinander. Koloniale Städte in Niederländisch-Indonesien sind als grundverschieden von klassisch verdichteten, mauerumgrenzten europäischen Siedlungen, nämlich als zunächst eher lose arrondiert beschrieben worden, zugleich sind es ´Sklavenstädte´ gewesen. In diesem setting wird Remco Raben die Frage nach der close distance dahingehend präzisieren, wie die Ökonomiken von Vertrauen und Misstrauen zwischen den ethnischen Gruppen stimuliert wurden, um Bindungen doch zu ermöglichen, wo zugleich aber Distanz notwendiger Weise aufrechterhalten wurde.
Kelsey Champagne ( Yale/New Haven)
Belief and Unbelonging: Catholicism in the British Atlantic, 1660-1714
In the latter half of the seventeenth century, English, Irish and Scottish Catholics continued to face social and political persecution in the British Isles. During this time of global expansion, new opportunities presented themselves across the Atlantic Ocean in England's North American and West Indian colonies. There, Catholics, like their Protestant neighbors, sought social, economic and political advancement in growing settlements. However, they simultaneously faced not only religious, but also political and even racial discrimination as they were discursively aligned with the rival French, the encroaching Native Americans in North America and the enslaved African populations of the West Indies. Such discrimination renewed the segregation of Catholics and threatened their ability to create a cohesive religious community or lay claim to a burgeoning British national and imperial identity.
Cornel Zwierlein (Bamberg/Erfurt/Bochum)
Ignoring the Other´s Religion. Western Merchant Colonies in the Levant and the Eastern Churches, 1650-1800
Im mediterranen Raum unter osmanischer Herrschaft traten die (englischen, französischen, niederländischen...) ´Nationen´ nicht als Herrschaftsträger auf, sondern verfügten nur über partielle Autonomie, in Form von Jurisdiktions-, Religionsausübungs-, und Protektionsrechten. Die Asymmetrien waren andere, aber das Erscheinungsbild ethnischer Zuordnung konnte zunächst durchaus ähnlich und vergleichbar mit den erwähnten niederländisch-asiatischen Beispielen sein. Im Falle Peras in Konstantinopel etwa bestand eine ahrhundertelange Tradition des Nebeneinanders der westlichen Händler in Stadtvierteln, eigenen Hafenplätzen und Lagerhäusern, und der griechischen, jüdischen, armenischen und osmanisch-muslimischen Bevölkerung. Hier soll ein besonderes Augenmerk der Frage gelten, wie die Händler und ihre Seelsorger die religiöse Koexistenz praktizierten, wie sie zwar auch beteiligt waren an der Sammlung von Manuskripten und Beschreibungen über die verschiedenen christlichen Ostkirchen, wie aber etwa ihre Lese- und Buchbesitzkultur Hinweise eher auf Abschließung und sogar zunehmend verstärkte religiöse Eigenkultur im Sinne der jeweiligen westlichen Konfessionen geben.
Florian Wagner (Erfurt)
Kulturrelativismus, Arbeitsmigration und Rassensegregation im kolonialen Afrika (1890-1930er)
Im ausgehenden 19. Jahrhundert verstärkten die Kolonialverwaltungen in Afrika rassensegregationistische Maßnahmen, die urbane Räume durch Rassenbarrieren trennten und durch ein Passsystem Mobilität kontrollierten. Diese Exklusionspolitik ging mit der Abdrängung der ruralen Bevölkerung in Reservate einher, die in einer totalitären Homeland-Politik endete. Zur gleichen Zeit kam es zu einer Verfachlichung und Professionalisierung der Kolonialanthropologie, welche auch und vor allem von Kolonialadministratoren vor Ort vorangetrieben wurde: Hier stehen sich nun einerseits bewusst normativierter Segregationismus und andererseits bewusst reflexiv verstärkter Empirismus gegenüber, d.h.: einerseits die Ideologisierung von Distanz und Grenzziehung, andererseits ein totalitäres Wissenwollen über den Lebensalltag der ´Kolonisierten´. Dieser Beitrag fragt, wie und ob diese scheinbaren Gegensätze mit einander vereinbar waren.
Stephanie Lämmert (Berlin)
Unverständnis oder Ignoranz: Ungehörte politische Imagination afrikanischer AkteurInnen im spätkolonialen Tanganyika
Auch in diesem Beitrag wird ein Perspektivwechsel gegenüber den Studien der letzten Jahre vorgenommen: Oft wurden bislang die – sicherlich auch gegebenen – kreativen Aneignungsprozesse afrikanischer AkteurInnen und ihre transformative Kraft aus afrikanischer „Tradition“ und kolonialer „Moderne“ hybrides Neuland zu schaffen, in den Mittelpunkt gestellt. Dieser Fokus auf Intermediäre, Übersetzer oder „bush lawyers“ verschleiert jedoch, dass viele andere afrikanische Akteure, die nicht Teil der neuen Elite waren, den „moment of possibility“ der Dekolonisierung nicht als Mitgestaltende, sondern als Nichtgehörte erlebten, so auch im spätkolonialen Tanganyika. Weite Teile der Bevölkerung, inklusive unliebsamer lokaler Eliten, wurden von der britischen Kolonialadministration entweder ignoriert oder nicht verstanden. Wer sich nicht einen der mächtigen Diskurse, etwa den der Menschenrechte, aneignen konnte, sondern seine politische Imagination in lokalen Konzepten ausdrückte, scheiterte an der Selektivität der britischen Administration und des Treuhandrates der Vereinten Nationen, die schließlich darüber entschieden, welchen Themen und Ausdrucksformen sie Gehör schenken wollten.