Henning Börm Wolfgang Havener Ulrich Gotter (Chair of the panel)

A Culture of Civil War. Bellum civile and political communication in Late Republican Rome

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Abstract

The civil wars of the first century BCE disrupted Roman society, which in turn was a major cause of the destabilization of the political system. This has of course long been recognized in historical research on the bella civilia. The cultural dimension of the disintegration of the res publica, however, demands equal attention. The section aims for an analysis of the more implicit, yet fundamental effects which the increasingly militarized conflict had on Roman society. Our starting point is the assumption that the radical dynamic and inbound brutality constituted a completely new experience for contemporaries. As a consequence of the specific character of the Roman republic’s socio-political system as well as its elite there were no pre-existing analytical or interpretative models for handling the trauma of continued civic bloodshed with its escalating violence. In order to find a solution for this problem Romans of the late Republican and early Imperial period devised multiple strategies which allowed them to understand and cope with the new phenomenon of civil war. While, on the one hand, Roman society turned to the narrative patterns developed by the Greeks who were accustomed to civil conflict for centuries, the bella civilia also influenced many other aspects of cultural life. The latent and deep-rooted fear of permanent civil strife thus became a source of innovation on multiple levels which (re-)shaped Roman collective imaginary to a high degree. In our view the resulting structures and developments constituted a highly elaborate and comprehensive “culture of civil war”.

Wolfgang Havener (Heidelberg)
Einführung
Henning Börm (Konstanz/Tübingen)
Stasis in Rom? Hellenismus und bella civilia
In Griechenland hatte sich spätestens in klassischer Zeit ein Diskurs ausgebildet, der bestimmte Deutungsangebote für Bürgerzwist – Stasis – bereitstellte, die auch im Hellenismus abrufbar blieben. Der Vortrag wird skizzieren, wie diese Semantisierungen, Denkmuster und Topoi im 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. in der römischen Nobilität rezipiert und adaptiert wurden und nicht nur in die politische Polemik Eingang fanden, sondern auch die Konzeptualisierung der bella civilia durch Akteure und Beobachter beeinflussten.
Anna Schneiderheinze (Konstanz)
Fragmente der Krisenwahrnehmung: Sinnstrukturen in Ciceros Briefwechseln
Hinter der Kausalitätsdebatte des Untergangs der Republik verschwand oft die spezifische Dynamik ihrer Transformation. Anhand der 50er Jahre, die bisher oft nur als Vorgeschichte des Bürgerkrieges betrachtet wurden, lassen sich Sinnstrukturen hinter der politischen Pragmatik und Veränderungen der Denk- und Vorstellungsmuster als Reaktion auf akute, radikale politische Ereignisse untersuchen. Gerade das unmittelbare Verständnis des politischen Geschehens in Ciceros Briefen, die ohne Veröffentlichungsabsicht und ohne wisdom of hindsight entstanden, ermöglicht einen ungetrübten Einblick in die zeitgenössische Wahrnehmung unmittelbar vor dem Bürgerkrieg.
Ulrich Gotter (Konstanz)
Schreiben nach dem Morden – oder: Wie römische Bürgerkriegsgeneräle der späten Republik Glaubwürdigkeit generierten
Die Extremsituation der Bürgerkriege produzierte im 1. Jhdt. v. Chr. nicht nur neue Gewaltkonstellationen und politische Experimente, sondern auch Texte, die der Bewältigung bzw. Rechtfertigung des inakzeptablen Geschehens dienten. Von diesen literarischen Produkten konnten die Memoiren der Bürgerkriegsgeneräle sicherlich die geringste vorgängige Glaubwürdigkeit beanspruchen und lassen sich daher besonders gut hinsichtlich ihrer manipulativen Strategien untersuchen. Mit einer Schwerpunktsetzung auf Caesars „de bello civili“ soll die Entwicklung von Deutungsoptionen diskutiert werden, die der römischen Öffentlichkeit für den entgrenzten inneren Konflikt präsentiert wurden.
Wolfgang Havener (Heidelberg)
Beispielhafter Bürgerkrieg. Das exemplum virtutis als Deutungsinstrument römischer Geschichte in Zeiten des Umbruchs
Das exemplum, d.h. die kurze, auf einen spezifischen Protagonisten der Vergangenheit und sein beispielhaft gutes oder schlechtes Handeln fokussierende Erzählung, stellte eines der zentralen Medien römischer Normen- und Wertevermittlung dar. Im Rahmen des Vortrags soll zum einen aufgezeigt werden, wie der Bürgerkrieg Einzug in den „exemplarischen Kanon“ der späten Republik und der frühen Kaiserzeit hielt. Zum anderen soll herausgearbeitet werden, wie sich Formen, Inhalten und Funktionen der exempla unter den Bedingungen des bellum civile wandelten.