Ingo Köhler Michael C. Schneider (Chair of the panel)

Who is in Charge of Business History? Conflicting Interpretations between Historical Research and History Marketing

Abstract

Companies are profit-oriented organizations whose activities shape society and culture at many levels. Entrepreneurial success stories are gladly told; the reference to a long-standing tradition is increasingly used by in-house communications departments as an exploitable marketing asset and image factor. There is no doubt that the economic history sub-discipline “corporate history”, which originated from an originally rather hagiographical tradition, has gained in scientific format since the 1980s. This development has been aided by fierce battles of interpretation, which initially focused on the role of companies in the First World War (war target discussion), but soon mainly on their entanglements with the Nazi regime. At times, these conflicts of interpretation could even lead all the way to the courtrooms, for instance when Deutsche Bank in 1972 defended itself against the portrayal of the role of Hermann Josef Abs by the GDR historian Eberhard Czichon. Meanwhile, corporate history offers an ambivalent picture: positive trends of a growing willingness on the part of entrepreneurs to deal with the past have recently been countered by negative signals that speak of a revival of the struggles for interpretation between science and business. While the analysis of Nazi history has met with broad acceptance among companies, it is difficult to expand the range of topics to include other socio-politically and culturally relevant objects of analysis. Thus, the companies hardly show themselves to be prompted to problematize their handling of human rights in colonial and especially post-colonial contexts. Cooperation with dictatorships, the problem of corruption, the labour or environmental conditions of their manufacturing operations abroad, but also the social collateral damage of crises and structural adjustments seem to be unwelcome topics. Therefore, the question “to whom does corporate history belong” remains pressing.

Johannes Bähr (Frankfurt am Main)
Unternehmensgeschichte zwischen guter wissenschaftlicher Praxis und Kommunikationsstrategien

Der Beitrag gibt zunächst einen Überblick über die Entwicklung von der hagiografischen Firmenfestschriftenliteratur zur wissenschaftlichen Unternehmensgeschichte. An Beispielen wird gezeigt, wie sich sich damit auch das Verständnis von der Rolle der Unternehmen und die Deutung unternehmerischen Handelns veränderten. In einem weiteren Teil wird die heutige Situation des Fachs hinterfragt. Wie etabliert ist die universitäre Unternehmensgeschichte? Wie positionieren sich wissenschaftliche Forschungen und History Marketing zueinander? Wo liegen Reibungspunkte, aber auch Kongruenzen ihrer Deutungsmodelle?

Manfred Grieger (Göttingen)
Geschichtsforschung und/oder History Consulting – zur wissenschaftlichen und kommunikationspolitischen Funktion der aktuellen Unternehmensgeschichtsschreibung

Unternehmensgeschichtsschreibung findet heute faktisch nur statt, sofern das Forschungsobjekt selbst die erforderlichen Finanzmittel bereitstellt. Oft bilden aber aus der Geschichte herrührende, medial vermittelte Vorwürfe den Grund für die Unternehmensentscheidung (Bahlsen/Reimann/Berlinale), Forschungsprojekte zu initiieren. Die Praxis der Auftragsforschung wirft die Frage auf, welcher Sphäre die publizierten Ergebnisse zuzuordnen sind. Handelt es sich im engeren Sinne um Beiträge zur wissenschaftlichen Geschichtsforschung oder zum kommunikativen Reputationsmanagement? Unternehmensgeschichtsschreibung schwankt – so die These – als Ausdruck einer intensivierten Hybridisierung der Geschichtswissenschaft insgesamt zwischen den Reputationssystemen Wissenschaft und Kommunikationsberatung.

Hans-Diether Dörfler  (Eichstätt/Erlangen)
Wie wa(h)r das nochmal? Marke und Moral in der Historischen Kommunikation

Zahlreiche Unternehmen nutzen heute ihre Geschichte und die ihrer Produkte für authentische historische Kommunikation. An aktuellen Beispielen zeigt der Vortrag, wie deutsche Industrieunternehmen, aber auch der mittelständische Handel etwa in München Geschichte als Content zur Markenpositionierung und im Marketing einsetzen. Die zielgruppen- und kanalspezifische Transformation geschichtswissenschaftlich erarbeiteter Inhalte ist dabei die große Kunst historischer Kommunikation. Gradmesser für deren Erfolg sind aus Unternehmenssicht mediale Reichweite, Viralität der Botschaften und nicht zuletzt die Steigerung der Markenbekanntheit. Der universitären Unternehmensgeschichtsforschung ist gerade die mediale Transformation wissenschaftlicher Ergebnisse und deren Nutzung in Kommunikation und Marketing suspekt. Zu Recht? Kernthese des Vortrags ist, dass erfolgreiche historische Kommunikation und Wissenschaftlichkeit der Ergebnisse in keinem Gegensatz stehen. Im Gegenteil: Sie bedingen einander. Nur nach den Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis erarbeitete Inhalte garantieren langfristig erfolgreiche Kommunikation von Unternehmensgeschichte.

Eva-Maria Roelevink (Mainz)
Vom „armen Treue“: Thyssen und die Arbeit an der Vergangenheit in den 1960er Jahren

In dem Beitrag geht es um die Entstehung der beiden Bände „Die Feuer verlöschen nie“ aus den Jahren 1966 und 1969. Ihr Autor war Wilhelm Treue, der nicht wenigen als „Nestor“ der Unternehmensgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg gilt. Für den auftraggebenden Thyssen-Konzern stellten die Bände die erste richtige Firmengeschichte dar. Vorher hatte das Unternehmen seine Jubiläen nicht gefeiert. Sie entstanden unter erheblichen Schwierigkeiten, die sich allerdings nicht auf die Probleme zwischen Konzern und Autor verengen lassen. Der Beitrag reflektiert den Stand der Unternehmensgeschichte in den 1960er Jahren im Kontext eines Festschriftenmarktes, auf dem sich deutlich mehr Akteure tummelten als nur Wirtschaftshistoriker und um positive Unternehmensnarrative bemühte Unternehmen. Besonders der Econ-Verlag und zwei zunächst als Ghostwriter engagierte Wirtschaftsjournalisten rücken dabei in den Fokus. So geht es auch darum, die Unternehmensgeschichte in den größeren Zusammenhang gesellschaftlicher und wirtschaftsinteressierter Öffentlichkeit zu stellen.