Frank Bösch (Chair of the panel)

Lessons from the Nazi Past? German Responses to Political Violence beyond Europe

Abstract

After the collapse of the Third Reich, both German states distanced themselves from their common past: the GDR as an antifascist state that embraced peace, the Federal Republic as a democratic state embracing the rule of law. In their quest for international recognition and economic ties, both states nevertheless interacted, with increasing frequency, with regions experiencing massive violence: from military dictatorships in Latin America, to African countries like Rwanda and Angola, as well as places like Indonesia and Cambodia, where millions of people were being murdered within a short timespan. In the wake of decolonization and the Cold War, the number of politically repressive dictatorships with which Germans maintained ties increased significantly beginning in the 1960s and 1970s. The panel looks at how, in the shadow of the Nazi past, German actors – politicians and diplomats, journalists and intellectuals, as well as NGOs and protest groups – dealt at home and abroad with such violent regions outside of Europe, and at what consequences this had for divided Germany. Special emphasis is given to practices and encounters that went beyond human rights discourses and instead often pursued political, economic, or cultural interests. One central question focuses on the role that the Nazi past and especially the Holocaust played in such interactions. One hypothesis is that initial efforts to distance Germany from such violence may have been an effort to underscore Germany‘s own „new beginning,“ but that this eventually gave way to a sharper focus on its own past and especially the Holocaust. The panel also analyzes semantical debates about when violence should be characterized as genocide, civil war, a national war of independence, or a struggle against terrorism, and about when states should be characterized as bloody dictatorships, authoritarian regimes, or strategic partners important for shoring up stability.

Frank Bösch (Potsdam)
Selektive Annäherungen. Der bundesdeutsche Umgang mit Militärdiktaturen

Frank Bösch untersucht die bundesdeutschen Beziehungen zu antikommunistischen Militärdiktaturen, die seit den 1960er Jahren in vielen Teilen der Welt aufkamen. Archivgestützt und vergleichend zeigt er, welche Faktoren jeweils das Handeln von Politikern, NGOs oder auch Unternehmen prägten. Insbesondere die Rolle von Amnesty International, Journalisten und ehemaligen NS-Eliten wird dabei diskutiert, um die sehr unterschiedlichen und selektiven Reaktionen zu erklären. Denn in einigen Fällen bestanden Kooperationen fort (etwa Iran, Indonesien oder Brasilien), in anderen führten starke öffentliche Proteste für gewisse Sanktionen und Unterstützung der Opfer (etwa Griechenland und Chile).

Andrew Port (Detroit, MI)
Die Deutschen und die neuen Genozide: Kambodscha, Ruanda und Bosnien

Wie das geteilte und vereinigte Deutschland Massenmorde als Genozide perzipierte und daraus unterschiedliche Handlungen ableitete, zeigt Andrew Port mit Blick auf Kambodscha, Ruanda und Bosnien. Er untersucht sowohl die west- und ostdeutschen Medien als auch deren politische, diplomatische und intellektuelle Elite und dabei insbesondere die Entwicklung der deutschen Außenpolitik hin zu einer – durch humanitäre Motive geleiteten – zunehmend interventionistischen Rolle. Gleichzeitig wird so neu analysiert, wie das Land, das aufgrund des Holocausts bis heute wohl am engsten mit Genozid assoziiert wird, mit seiner eigenen Vergangenheit umgegangen ist – nämlich durch das Prisma anderer Genozide.

Joseph Ben Prestel (Berlin)
Politische Gewalt zwischen München und Beirut. Palästinenser und die radikale Linke in Westdeutschland, 1970–1982

Die Rolle der NS-Vergangenheit hatte eine besondere Bedeutung bei der Auseinandersetzung mit den Konflikten im Nahen Osten. Hier solidarisierte sich die radikale Linke seit 1967 mit den Palästinensern in einem Konflikt, der nach dem Sechstagekrieg besonders durch politische Gewalt auf einer globalen Bühne ausgetragen wurde. Gezeigt wird auch anhand palästinensischer Quellen, wie die linksstehenden Aktivisten politische Gewalt in diesem Zusammenhang rechtfertigten und aus dem Nationalsozialismus nun gerade ein Engagement gegen Israel ableiteten. Verdeutlicht wird, wie Dynamiken in Städten wie Amman und Beirut auf die bundesdeutsche Linke zurückwirkten.

Marcia C. Schenck (Potsdam)
Antifaschistisches Erbe in Afrika. Ostalgie in Mozambique und Angola

Die DDR schickte Brigaden in sozialistische Staaten und nahm Menschen aus diesen Ländern zur Ausbildung und Vertragsarbeit auf. Basierend vor allem auf Interviews stellt der Beitrag Deutungen und Erfahrungen afrikanischer Arbeits- und Bildungsmigranten in den Vordergrund, die nach ihrer planmäßigen Rückkehr zum Aufbau ihrer sozialistischen Heimatländer beitragen sollten. Im Falle Angolas und Mosambiks wurden viele Pläne zur wirtschaftlichen Kooperation zwischen der DDR und den jungen unabhängigen sozialistischen Republiken durch die langjährigen gewaltsamen Konflikte in diesen Ländern unterlaufen. Trotzdem, oder auch gerade deswegen, wird die Migration in die DDR dort häufig nostalgisch erinnert.