Jan Gerber Philipp Graf (Chair of the panel)

Experience and Memory. Israel, the German-speaking Left, and the Holocaust

Abstract

The section seeks to look at the relationship of the German-speaking left and Israel from the hitherto little-noticed perspective of its Jewish members. The starting point is the observation that the occupation of Jewish leftists with Israel did not always go analogue to that of their non-Jewish comrades. While a large part of the left in Germany and Austria turned away from Israel as a result of the Six-Day War after 1967, a number of left-wing Jews such as Michael Landmann, Jean Améry, Peter Edel or Bruno Frei refrained from doing so. The background of this refusal was not least the Holocaust. In the case of Frei, the extermination of European Jewry imposed on him, as he once wrote, an „awareness of belonging“, which he had „actually believed to have been erased“ with his turn to socialism. In face of the Holocaust, however, many left-wing Jews saw themselves as part of the Jewish world again after 1945. This does not mean that they have been uncritical of Israeli policy. As members of the labor movement, they were subject to the impression of the day-to-day political events of the Cold War as well as to the same ideological imprints like their non-Jewish comrades. In one point, however, they differed – that of a „Jewish“ experience. As a result, at least some of them were more unsettled by the Holocaust and rejected the anti-Israeli threats of extermination that many of their non-Jewish comrades put forward. While the relationship of the German-speaking left with Israel has so far been mostly studied under political and ideological signs, the assumption of a factor determined by biographical and historical experience is likely to provide a differentiated picture. This applies not only to the Jewish protagonists, but also to the background of experience against which non-Jewish leftists acted on this issue. Based on Pierre Nora’s concept of „Lieux de mémoire“, this constellation is to be illuminated by three specific loci of memory.

Jan Gerber (Leipzig)
Israel, die deutschsprachige Linke und der Holocaust: Drei Erinnerungsorte (Einführung)
Philipp Graf (Leipzig)
Mexiko-Stadt, Heinrich-Heine-Klub, 1944. Kommunisten entdecken das jüdische Volk

Mexiko entwickelte sich zwischen 1941 und 1946 zu einem der wenigen Zentren des deutschsprachigen kommunistischen Exils, in dem die Nachrichten aus Europa eine umfangreiche Diskussion über den Holocaust auslösten. Ausgehend von der Erkenntnis, dass die Ermordung der Juden allein ihrer Herkunft wegen erfolgte, erhob der Kreis um Paul Merker, Mitglied des Zentralkomitees der KPD, nicht nur die Forderung nach materieller Wiedergutmachung, sondern sprach sich auch für die Gründung eines jüdischen Staats aus. Anhand des jüdischen Juristen Leo Zuckermann behandelt der Vortrag die Frage, welche Entwicklung die Diskussion über das jüdische Schicksal nahm und inwiefern sich Mexiko darin von anderen Exilzentren unterschied.

Kristina Meyer (Jena)
Bonn, Bundeskanzleramt, 1969. Die SPD und die Dialektik der Normalisierung

Ausgangspunkt des Vortrags ist der Antrittsbesuch des israelischen Botschafters Asher Ben-Natan bei dem kurz zuvor zum Bundeskanzler ernannten Willy Brandt. Bei dieser Gelegenheit formulierte Brandts Berater Egon Bahr, dessen Mutter Jüdin war, das oft zitierte Diktum, wonach auf die Bundesregierung von nun an kein Druck mehr ausgeübt werden könne, da sie nicht länger mit der Vergangenheit erpressbar sei. Ausgehend von diesem Ereignis wird die Entwicklung des Verhältnisses der SPD zu Israel und ihres Umgangs mit dem Holocaust seit 1945 entfaltet, wobei das Augenmerk der oft ambivalenten Scharnierfunktion jüdischer Sozialdemokraten im Verhältnis zwischen der SPD und israelischen Organisationen gilt.

Zarin Aschrafi (Jerusalem)
Frankfurt am Main, Verlagshaus Neue Kritik, 1982. Abschied von der Neuen Linken

Anfang der 1980er Jahre transformierte sich der einst vom SDS geführte Verlag Neue Kritik zu einem Ort des Austauschs zwischen Deutschen und Juden aus dem linken Milieu Frankfurts. Hatten linke Juden vor dem Hintergrund ihres eigenen politischen Engagements im Palästinakonflikt den zionismuskritischen Impetus deutscher Linker anfänglich noch oft unterstützt, stellten sich die Vergleiche des Nahostkonflikts mit der deutschen Geschichte vielen von ihnen als mindestens geschichtsrelativierend dar. Anhand der 1986 gegründeten Zeitschrift „Babylon“ zeichnet der Vortrag den Werdegang linker Juden in der Neuen Linken nach und stellt zugleich die Frage, wie dieser in die Forderung nach der Entwicklung eines emphatischen Begriffs von Geschichte mündete.

Gerd Koenen (Hamburg)
Erfahrung und Erinnerung. Ein Kommentar