Jan Eckel (Chair of the panel)

Contested „Globalization.“ Perceptions of Interconnectedness and Western Politics since the 1970s

Abstract

This panel brings together several ongoing research projects to explore the ways in which the idea of an increasingly interconnected world has shaped the political history of the recent past. Diagnoses of a shrinking world have influenced political commentary since the late 19th century. In the 1970s, however, they gained a new quality. Alarmed by currency turmoil and oil shocks, politicians began to consider growing worldwide “interdependence” as the major challenge of the future. At the beginning of the 1990s, observers declared what they now called “globalization” the sign of a new era after the end of the Cold War. They identified an increasing number of developments – ranging from financial markets and new communication technologies to terrorist networks – as either the causes or the products of this overarching process. In both historical moments, the idea of a globe that was rapidly growing together served as a consequential political argument. Western governments referred to “interdependence” and “globalization,” respectively, to make far-reaching readjustments in both their domestic and foreign policies. In the eyes of civil movements, by contrast, increasing worldwide interlinkage highlighted the necessity of international human rights protection or of the struggle against predatory capitalism. This made perceptions of interconnectedness a highly contested terrain. While hardly anybody doubted the supposed reality of “interdependence” or “globalization” as such, controversy raged around the nature of these processes and the political conclusions that should be drawn from them. The panel examines the worldviews and self-understandings that manifested themselves in the ideas of global interconnectedness as well as the political projects that these ideas motivated. At the same time, the panel analyzes the historical connections between the moments of the 1970s, the 1990s, and today’s globalization discourse.

Jan Eckel (Tübingen)
Einleitung
Martin Deuerlein (Tübingen)
Interdependenz. Globales Denken und internationale Politik in den langen 1970er Jahren

Der Vortrag beleuchtet die sozialwissenschaftliche und politische Auseinandersetzung mit globaler Verflechtung in den 1970er Jahren. Er zeigt, dass die seit dem 19. Jahrhundert etablierte Deutung wachsender „Interdependenz“ jetzt hinterfragt wurde. Ihre Folgen wurden damit uneindeutiger und wirkten bedrohlich. Als Garant der Nachkriegsordnung waren besonders die Vereinigten Staaten um die Formulierung einer neuen Außenpolitik für das „Zeitalter der Interdependenz“ bemüht. Dabei waren sie jedoch mit Forderungen nach einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung“ konfrontiert, die Akteure aus der „Dritten Welt“ ihrerseits als einzig richtige Antwort auf globale Verflechtung darstellten.

Ariane Leendertz (München)
Die USA und die ‚interdependente‘ Weltordnung in den 1970ern

Der Vortrag widmet sich der amerikanischen Debatte über die „Interdependenz“. Nachdem globale Verflechtungen anfänglich als problematische Einschränkung der außenpolitischen Handlungsfreiheit erschienen, wendeten politikwissenschaftliche und politische Akteure ihre Befunde in den 1970ern dezidiert positiv. Der einflussreiche Think Tank Council on Foreign Relations erkannte die Chance, die globale Führungsrolle der USA nach dem desaströsen Vietnamkrieg und wirtschaftlichen Krisenerscheinungen neu zu begründen. Dafür sollten die USA bald als global governance bezeichnete Strategien entwickeln, mit denen sich Prozesse des weltweiten Zusammenwachsens im amerikanischen Sinne steuern ließen.

Lukas Hezel (Mannheim)
Vom ‚Antiimperialismus‘ zur ‚Globalisierungskritik‘. Deutungskämpfe in der internationalistischen Linken 1988-2001

Der Vortrag legt dar, wie sich in linksalternativen internationalistischen Bewegungen ein konfliktreicher Deutungswandel vollzog, bei dem ältere „anti-imperialistische“ Kritikmuster über Bord geworfen und durch eine neue politisch-weltanschauliche Positionierung verdrängt wurden, die bald als „Globalisierungskritik“ firmierte. Sie gründete auf einer Frontstellung gegen das „transnationale“ Kapital und dem Abschied vom Paradigma der „nationalen Befreiung“. Der Vortrag spannt den Bogen von den Protesten gegen Weltbank und IWF 1988 in Berlin bis zum Aufkommen der weithin rezipierten Bewegung der „Zapatistas“ und der Gründung des globalisierungskritischen Netzwerks ATTAC in den 1990er Jahren.

Jannes Jaeger (Tübingen)
‚Globalisierung‘ und Sozialstaatsreform in Großbritannien und Deutschland

Der Vortrag untersucht die um 2000 international geführte Debatte über den Zusammenhang von „Globalisierung“ und Sozialstaat. Am Beispiel der Labour-Regierung und der rot-grünen Koalition in der Bundesrepublik legt er dar, wie in politischen Expertenkreisen der Gedanke Fuß fasste, die wirtschaftliche „Globalisierung“ mache einschneidende sozialpolitische Reformen unumgänglich, wolle sich der Staat in einem globalen Standortwettbewerb behaupten. In Deutschland provozierte diese Politik schwere innenpolitische Konflikte. Auf der politischen Linken rief sie eine breitgefächerte Protestbewegung hervor, die eine bis heute nachwirkende politische Verschiebung einleitete.