Conflicting Interpretations of the Environment. International Expertise since the 19th Century
Die nachhaltige Nutzung von Ressourcen, der Schutz von Arten, die Notwendigkeit sauberer Luft oder das Auftreten von Wetter- und Klimaphänomenen wird spätestens seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert von zahllosen neugegründeten Umweltschutzvereinen und -verbänden propagiert. Der Vortrag untersucht die Rolle und Bedeutung von Experten in den verschiedenen von diesen Vereinigungen herausgegebenen Medien. Es soll dabei das Zusammenspiel von Expertise und medialer Aufmerksamkeit in der Vermittlung von Umweltproblemen und der Plausibilisierung drohender Zukunftsszenarien in den Blick genommen werden.
In der langen Geschichte der globalen Umweltpolitik haben verschiedene Sachverhalte im Vordergrund gestanden wie z.B. die ökologische Qualität der Flusssysteme und Weltmeere, die Biodiversität, das Zerstörungspotenzial der Nukleartechnologie oder der Säuregrad des Regens. Doch heute dreht sich die weltweite Umweltpolitik fast ganz um die Klimaerwärmung. Der Vortrag blickt von dieser klimabezogenen Finalität her einerseits auf die Abfolge von Akteuren, Organisationen und Themen seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Andererseits gilt das Interesse der numerischen Kommunikation. Die leitende These ist, dass weltumweltpolitische Fragen eine besondere Affinität zur Quantifizierung aufweisen.
Seit den 1950er Jahren erhob die junge und international eng vernetzte Fachdisziplin der Ökologie ein wachsendes Mitspracherecht in Planung und Politik, das sich in internationalen Konventionen und neuen Schutzmodellen konkretisierte. Am Beispiel der sich radikal verändernden Lesarten von Mooren und Sümpfen, die inzwischen nicht mehr als Terrain der Armut oder des Niedergangs, sondern als Orte der Vielfalt und Resilienz präsentiert werden, soll gezeigt werden, wie sich die ökologische Interpretation von Natur und Umwelt in der öffentlichen Debatte und auf dem diplomatischen Parkett Raum verschaffte.
Mit dem Aufkommen von global-ökologischen Programmen und der internationalen Umweltpolitik in den 1970er Jahren suchten Regierungsvertreter und Mitglieder von internationalen Organisationen zunehmend den Rat von Experten. Ökologen engagiert im Arten- und Landschaftsschützer, international vernetzt seit den 1930er Jahren, hofften sich in Stockholm als solche zu etablieren. In dem Vortrag wird ‚Umwelt‘ als ein umstrittener Begriff verstanden, in dessen Definition letztendlich ökonomische und sozialpolitische Erwägungen überwogen, was sich bis heute auf die Besetzung von Expertenpositionen auswirkt.