Sylvia Kesper-Biermann Christine Gundermann (Chair of the panel)

Comics and Conflicting Interpretations in the 20th Century

Abstract

Conflicting interpretations are closely tied to the media they are conveyed with. In different historical epochs, controversial perceptions, positions and ideas of order have been expressed with different media. At the same time, these media themselves could become the subject of such struggles, for example in recurring discussions about the opportunities and dangers of the – at the respective time – ‘new media’. In many cases, such as in cinema, television or computer games, the social appreciation of everything visual played a central role in this context, either by “demonizing the image” (Grunder) or by emphasizing its potential as an independent approach to interpreting the world. Although an increasing significance of visuality is assumed for the 20th century, the “century of the image” (Paul), historical research has not yet looked at all visual media to the same extent. This applies in particular to comics, which have received some attention from the perspective of history didactics in recent years, but are largely unused as a source of research. This shows not least a connection between the exploration of a medium in its various forms and its assignment to ‘high culture’ or ‘popular art’. This panel examines comics, first, as the subject of conflicting interpretations (Christine Gundermann) and, second, as a means of visualization in interpretive struggles (Kalina Kupczynska), reflecting in the process, third, its potential as a historical source (Michael Scholz). The focus is on the second half of the 20th century, during which the prevalence and significance of comics increased worldwide. We will look at the perspectives of different countries; in addition to a case study each on Sweden and Poland, one contribution will adopt a clearly transnational perspective.

Sylvia Kesper-Biermann (Hamburg)
Einführung
Christine Gundermann (Köln)
Die grafische Anne. Comics über Anne Frank zwischen Holocaustcomic, Literaturklassiker und Unterhaltung

Der Vortrag zeigt anhand einer exklusiven Sammlung von über 60 biografischen Anne Frank Comics, dass der Holocaust im Comic bereits sehr früh thematisiert wurde und in Form spezifischer Codierungen die Geschichte der Vernichtung der europäischen Juden lediglich andeutete, aber fast nie explizit machte. Die damit verbundenen Deutungskämpfe zeigen exemplarisch in einem chronologischen Längsschnitt gesellschaftliche Diskurse, die wiederkehrend nicht nur Holocaustcomics als Form des ‚Holokitsch‘ betreffen, sondern auch die Frage, inwieweit die Geschichte des Holocaust für ökonomische, geschichtspolitische, pädagogische oder andere Zwecke genutzt werden darf.

Kalina Kupczynska (Lodz)
Sacrum, profanum und der "dritte Weg" des polnischen Geschichtscomics

Der Vortrag untersucht den seit der Jahrtausendwende stark wachsenden Markt für Geschichtscomics in Polen, wobei für das imaginarium communis bedeutende historische Perioden und Ereignisse wiederkehrende Themen sind. Es lassen sich drei Tendenzen unterscheiden. Comics werden zum einen als Instrument rechtskonservativer Geschichtspolitik genutzt; zum anderen entstehen Geschichtscomics, die durch Themenwahl und Perspektivierung bewusst den mythischen Bann durchbrechen wollen und sich um eine komplexe Darstellung der Vergangenheit bemühen. Schließlich zeichnet sich noch ein „dritter Weg“ ab, indem die heroischen Narrationen als Karikaturen dargestellt werden.

Michael F. Scholz (Visby/Uppsala)
Die vergessene Kriegspropaganda. Der schwedische Comicmarkt im Zweiten Weltkrieg

Am Beispiel des schwedischen Comicmarktes während des Zweiten Weltkriegs behandelt der Vortrag Comics als Artefakte des Krieges und als Akteure im Propagandakrieg. Mit Kriegsausbruch entwickelten sie sich zu einer Mischung aus Unterhaltung und Propaganda. Letztere bewegte sich zwischen der Rechtfertigung der schwedischen Neutralitätspolitik und einer direkten Kriegspropaganda im Sinne der Westmächte. Inspiriert von Pierre Bourdieus Ideen über Felder der kulturellen Produktion geht es auch um die sozialen Beziehungen der Comics in Bezug auf ihre Produktion, Verteilung und Konsumierung. Gezeigt wird, wie das Medium als Quelle der Populärkultur neue Perspektiven für die historische Forschung eröffnen kann.