"Titulus ad regnum coelorum". Zur Taufe und ihren Wirkungen in der theologisch-juristischen Argumentation der Schule von Salamanca
Referent/in: Christiane BirrAbstract:
Die Taufe ist das Tor zur Kirche (ianua ecclesiae). Ihre Wirkungen reichen weit über den Bereich eines Sakraments hinaus: Sie veränderte nicht nur den religiösen, sondern auch den rechtlichen Status des Individuums. Für Getaufte galten besondere Regeln, im kanonischen wie im weltlichen Recht, im ius civile wie im ius gentium. Beispiele sind die Zuständigkeit kirchlicher Gerichte, durch geistliche Verwandtschaft begründete Eheverbote oder das privilegium Christianorum, das Kriegsgefangene vor der Sklaverei schützte und als partielles Völkerrecht der christlichen Nationen galt.
Das Verhältnis zwischen Taufe und Rechtgläubigkeit gehörte nicht nur zu den in der frühneuzeitlichen Theologie im Hinblick auf die Kirchengliedschaft vieldiskutierten Themen; es hatte auch Auswirkungen auf den Rechtsstatus des Einzelnen. Aus rechtshistorischer Perspektive stellt sich daher die Frage nach den rechtlichen Differenzierungen zwischen idealiter Gleichen, die gerade an den Rändern der als Gemeinschaft der Gläubigen verstandenen Kirche besondere Dringlichkeit gewann.
Die Autoren der Schule von Salamanca behandelten die rechtlichen Wirkungen der Taufe mit besonderer Intensität. In Spanien blickte man, wie wohl in keinem anderen Land Europas, auf reiche Erfahrungen mit der Inkorporation großer Gruppen Fremdgläubiger, mit massenhaften und nicht immer von äußerem Zwang freien Erwachsenentaufen und dem schwierigen Verhältnis zwischen Taufe und Orthodoxie zurück. Waren es im späten Mittelalter Juden und nach Abschluß der Reconquista Muslime, um deren gültige Taufe und ihre rechtlichen Konsequenzen man stritt, erhielten angesichts der Reformation und der expandierenden Mission in Lateinamerika die Fragen nach dem Verhältnis von Taufe, Glaube und Wille beziehungsweise Taufe und Freiheit neue Dringlichkeit und politische Resonanz.