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49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Protagonist der deutsch-französischen Versöhnung? François Mitterrand und Deutschland

Referent/in: Ulrich Lappenküper

Abstract:
Von den französischen Staatsmännern des 20. Jahrhunderts besaß  François Mitterrand zweifellos eine der schillerndsten Biographien. Seine Metamorphosen vom Anhänger des Vichy-Regimes zum Staatspräsidenten der V. Republik sind nicht nur für das Verständnis seiner widersprüchlichen Persönlichkeit von Bedeutung; auch für sein Verhältnis zu Deutschland, für sein Deutschlandbild und seine Deutschlandpolitik.

Mitterrand besaß Deutschland gegenüber keine konstante Wahrnehmung, geschweige denn eine unverrückbar feststehende Konzeption. Wenn der Minister der IV. Republik die enge Kooperation mit dem "großen", aber auch "unruhigen" Volk der Deutschen seit den 1950er Jahren befürwortete, so tat er es in der Absicht, Frankreichs Großmachtanspruch zu untermauern, Europa Mitsprache in weltpolitischen Fragen zu sichern und den Nachbarn zu fesseln. Die Bundesrepublik war für ihn der wichtigste Bundesgenosse Frankreichs in Europa, blieb aber machtpolitisch wie ökonomisch ein Konkurrent und deutschlandpolitisch ein unsicherer Kantonist. Als Oppositionspolitiker der V. Republik beklagte Mitterrand die führende Rolle der Bundesrepublik in der EWG, er verunglimpfte sie als revanchistisch und beargwöhnte ihr Streben nach nationaler Einheit.

Nach dem Aufstieg zum Staatspräsidenten sah er sich infolge  finanzpolitischer Turbulenzen in Frankreich und der "incertitudes allemandes" in der Bundesrepublik zum Umdenken veranlasst. Seit 1984 baute Mitterrand auf die vom ihn einst kritisierte "deutsch-französische Achse" und postulierte die historische Pflicht, gemeinsam eine europäische Union zu bauen. Der weltpolitische Umbruch des Jahres 1989/90 stellte die Partnerschaft auf eine harte Probe. Zwar focht Mitterrand die prinzipielle Legitimität eines deutschen Nationalstaates nicht an, wünschte dessen Wiedergeburt aber ad calendas graecas zu verschieben. Um die Machtverlagerung nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit auszutarieren, pochte Mitterrand auf die beschleunigte Errichtung der europäischen Union. Nachdem er dieses Ziel mit dem Maastrichter Vertrag 1992 weitgehend erreicht hatte, trachtete er danach, sich als Wahrer der deutsch-französischen Freundschaft zu profilieren. Nicht nur wegen seines unaufrichtigen Umganges mit den trüben Seiten seiner Biographie liegt auf den sentimental angehauchten Sympathiebezeugungen ein dunkler Schatten.

Kategorie: Neuere/Neueste Geschichte

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