Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Grundsätze, Methoden und Strategien der Überlieferungsbildung in Archiven

Referent/in: Andreas Pilger

Abstract:
Im Rahmen der Bewertung treffen Archive aus der Fülle schriftlicher Informationen eine Auswahl. Diese Auswahl wird als ein Teil des kulturellen Speichergedächtnisses für zukünftige Generationen bewahrt und zugänglich gemacht. Wie auch immer die Archive ihre Auswahl treffen, sie können nur Ausschnitte gesellschaftlicher Wirklichkeit dokumentieren. Alle Versuche, diese Auswahl mit den Prädikaten der Vollständigkeit, des Abbildes oder der Wahrheit auszuzeichnen, sind epistemologisch zum Scheitern verurteilt. Jede Auswahl trägt den Stempel subjektiver Wahrnehmungen und zeitbedingter Wertungen. Das bedeutet aber nicht, dass Archive bei ihrer Überlieferungsbildung willkürlich verfahren. Bewertungsentscheidungen müssen begründet und innerhalb der Fachgemeinschaft plausibel dargestellt werden. Der Sektionsvortrag skizziert das aktuelle methodische Instrumentarium, mit dem Archive ihre Dokumentationsziele festlegen und nach Wegen suchen, um Überlieferung den Zielen entsprechend zu bilden.

Der Vortrag erläutert,

  • wie die Archive die gesellschaftlichen Themenfelder oder Verwaltungszweige priorisieren,
  • wie sie z. B. in Anlehnung an die mediale Selbstbeobachtung und die Ergebnisse der historischen Forschung Schwerpunkte der Überlieferung festlegen,
  • wie sie zu diesen Schwerpunkten Unterlagen ermitteln und bewerten,
  • wie sie ihre Ziele und Bewertungsentscheidungen transparent und damit innerfachlich (zukünftig vielleicht zunehmend auch öffentlich) diskussionsfähig machen,
  • wie sie Informationsredundanzen, die zwangsläufig aus der Befassung unterschiedlicher öffentlicher und privater Stellen mit ein und demselben Gegenstand resultieren, bei der Bewertung eliminieren,
  • wie sie aber umgekehrt auch durch Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven ein hinreichendes Maß an Komplexität und Varietät in ihrer Überlieferung zu gewährleisten versuchen.

Um den Spagat zwischen Reduktion und Komplexität, zwischen einer verdichteten und doch aussagekräftigen Überlieferung, leisten zu können, nutzen Archivarinnen und Archive zunehmend das Potential einer reich differenzierten und komplementären Archivlandschaft. Sie tauschen sich – innerhalb einer Stadt, einer Region – über Bewertungsentscheidungen aus und stimmen sich institutionen- und spartenübergreifend ab. Für den Sektionsvortrag liefert diese Idee einer „Überlieferungsbildung im Verbund“ den konzeptionellen Bezugsrahmen.

 

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