Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Geheimes Deutschland. Ist die Geschichte der Bundesrepublik schon geschrieben?

Referent/in: Josef Foschepoth

Abstract:
In den Geheimarchiven der Bundesregierung, den Archiven des Bundes und der Länder, der Gerichte, Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitsdienste, der Bundes- und Landesparlamente, der politischen Stiftungen und in den privaten Nachlässen von Politikern gibt es nach meinen Recherchen mehrere Millionen Akten aus der Zeit der alten Bundesrepublik, die weiterhin als Geheimakten behandelt werden und bis heute weder der Öffentlichkeit noch der Forschung zur Verfügung stehen. 

Die zeitgeschichtliche Forschung steht vor einem riesigen Berg von Akten, der systematisch erschlossen und erforscht werden muss. Die Geschichtsschreibung der letzten dreißig Jahre hat unseren Blick für gesellschaftliche Wandlungs- und Lernprozesse, für Westernisierung und Liberalisierung, für Stabilisierung und Pluralisierung geschärft, die sich in ihrer Vielfalt zur Synthese von der großen Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik verdichten. Muss man angesichts eines solchen Narrativs überhaupt noch in die Archive gehen?

Was ist von einer Offenlegung der Akten zu erwarten? Der Blick auf die Geschichte wird sich ändern. Mit der Freigabe der Akten wird der Staat selbst wieder stärker in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses rücken. Welche Rolle hat er bei den vielfältigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Wandlungsprozessen gespielt? War er Bremser oder Beschleuniger? Wie entwickelten sich die drei Gewalten, die Exekutive, die Justiz und die Parlamente im historisch- politischen Prozess? Welche Rolle spielten sie für die Entwicklung von Rechtstaatlichkeit und Demokratie?  Welche Einwirkungen werden erkennbar, von innen, von außen? Wie begrenzten die Westmächte mit ihrer Politik der doppelten Eindämmung Autonomie und Souveränität? Welche Rolle spielte die DDR, wie präsent war sie  im politischen Entscheidungsprozess der Bundesrepublik?

Stehen wir vor einer Renaissance der politischen Geschichte? Wir haben die Chance die Ungleichgewichte zwischen der „überforschten Geschichte der DDR“ (Jarausch)  und der unterforschten Geschichte der Bundesrepublik auszugleichen und die Geschichte der Bundesrepublik empirisch zu fundieren. Millionen staatlicher Akten machen es möglich.

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