Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Das Ministerium Speer - Lösung oder Verlagerung von Ressourcenkonflikten?

Referent/in: Oliver Werner

Abstract:
Albert Speer veränderte mit der Übernahme des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition ab Februar 1942 das institutionelle Gefüge der deutschen Kriegswirtschaft grundlegend. Militärische Entscheidungsträger wurden sukzessive marginalisiert und Unternehmensleitungen über ein Gremiensystem stärker an der Gestaltung der Produktionsvorgaben beteiligt. Auf regionaler Ebene wurde Speers kriegswirtschaftlicher Führungsanspruch im Herbst 1942 mit der Bildung gaubezogener Rüstungskommissionen unterstrichen, in denen die verantwortlichen regionalen Entscheidungsträger unter der Ägide des Reichsministeriums zusammengefasst wurden. Legitimiert wurden diese Veränderungen mit den wiederkehrenden Forderungen, ‚Doppelarbeit‘ zu vermeiden und hemmende Ressourcenkonflikte zwischen verschiedenen Entscheidungsträgern zu unterbinden. Tatsächlich zeigt sich aber in der praktischen Tätigkeit der Rüstungskommissionen, dass die Auseinandersetzungen um einen wirksamen Ressourcenzugriff grundsätzlich bestehen blieben, ihre institutionelle Einbettung und Regulierung aber stabilisierend wirkte, indem regionalen Akteuren ein Mitspracherecht bei der Verteilung immer knapperer Rohstoffe und Arbeitskräfte mindestens suggeriert wurde. Ab Herbst 1943 verstärkte sich diese systemstabilisierende Wirkung institutionell regulierter Ressourcenkonflikte noch. Speer konnte regionale Akteure und Unternehmensvertreter gerade mit dem Hinweis zur weiteren Mitarbeit motivieren, dass er ihnen in den sich verschärfenden Konflikten auf Reichsebene den Rücken freihielte und so im ‚totalen Krieg‘ wenigstens ein Minimum wirtschaftlicher Rationalität ermögliche. Die Konflikte mit einzelnen Gauleitern um Ressourcen und schließlich um die Zerstörung von Industrieanlagen wurden keineswegs gelöst, sondern von Speer instrumentalisiert und  je nach Bedarf zugespitzt oder abgemildert. Ressourcenkonflikte stabilisierten auf diese Weise die „komplexe Kooperationsstruktur“ (Adam Tooze) der deutschen Kriegswirtschaft bis in das Frühjahr 1945 hinein.

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