Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Arbeitskräftepolitik in der poststalinistischen Sowjetunion (1953-1964)

Referent/in: Dmytro Myeshkov (Freiburg i. Br.)

Abstract:
In den 1930er Jahren nahm der repressive Charakter der sowjetischen Arbeitskräftepolitik ständig zu. Arbeitskraft in der Industrie und im Agrarsektor wurde weitgehend verstaatlicht, was mit einem beispiellosen Einsatz von Zwangsarbeit und Mobilisierungen einher ging. Die vom Staat geplante extensive Wirtschaftsentwicklung sollte von dieser Arbeitskräftepolitik auch nach dem Wiederaufbau des Landes mitgetragen werden.  

Die gesellschaftlichen Erwartungen in Richtung einer Liberalisierung des Regimes und die ersten Schritte auf dem Weg der Entstalinisierung stärkten überall die Ablehnung der Strafmaßnahmen, mit welchen sogar kleinste Verstöße am Arbeitsplatz geahndet wurden. Das Jahr 1956 markiert in diesem Liberalisierungsprozess eine Zäsur. In diesem Jahr wurde die Aufhebung von umstrittenen Bestimmungen im Bereich des Arbeitsrechts beschlossen. Zudem trat die UdSSR der Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation bei, welche die Anwendung von Zwangsarbeit verbot. Angesichts des bevorstehenden Eintritts der geburtsschwachen Kriegsgeneration ins Berufsleben sah sich der Staatsapparat Mitte der 1950er Jahre gezwungen, Arbeitskräfte effizienter einzusetzen. Arbeitskraft wurde daher zunehmend als wertvolle Ressource verstanden, die erforscht und kompetent verwaltet werden müsse. Seit Anfang der 1960er Jahre wurden in diesem Bereich aktiv Forschungen betrieben. 

Nichtsdestotrotz tat sich die sozialistische Planwirtschaft, die jahrzehntelang an die enorme Arbeitsleistung von Entrechteten gewöhnt war, mit den Reformen schwer. Die Arbeitspflicht in Strafvollzuganstalten existierte genauso weiterhin wie Meldepflicht und Passregime für „freie“ Arbeitnehmer. Das Recht auf Berufswahl konnte nach dem neuen Parteiprogramm (1961) nur mit Rücksicht auf „gesellschaftliche Bedürfnisse“ ausgeübt werden. Die Neuland-Kampagne, aber vor allem erfolgslose Bestrebungen, Fachkräfte für die marode Landwirtschaft zu mobilisieren, zeigten jedoch mit aller Deutlichkeit, dass die Effizienz der alten Arbeitskräftepolitik unter neuen politischen Bedingungen erheblich gesunken war. 

 

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