Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Verrat! Geschichte einer diskursiven Ressource von der Renaissance bis zur Gegenwart

Zeit: 26.09.2012, 15:15 - 18:00
Ort: P 104
Kategorie: Epochenübergreifend

Sektionsleiter/in: André Krischer (Münster) / Peter Hoeres (Gießen)

Abstract:
Die Historiker haben das Thema Verrat vor allem im Sinne eines Herrschaftsinstruments von repressiven Systemen untersucht. Allerdings ist zu beobachten, dass in höchst verschiedenen Konstellationen der europäischen Neuzeit von Verrat die Rede gewesen ist. Offenkundig ist der Begriff durch wiederkehrende Virulenz zum Vokabular der Moderne geworden.

In der Sektion sollen erste Beiträge zur Geschichte des Begriffs als einer immateriellen, diskursiven Ressource zur Diskussion gestellt werden. Anhand von vier Fallstudien wollen wir zeigen, in welchen historischen Zusammenhängen mit dem Begriff operiert wurde und warum der Verratsvorwurf verfing oder scheiterte.

Seit dem Spätmittelalter akzentuieren sich Verratsnarrative und entsprechende Diskurstraditionen. Verratsvorwürfe entstanden im städtischen Milieu und waren Ausdruck politischer, sozialer und ökonomischer Krisen. Sie drückten sich in unterschiedlichen medialen Konfigurationen aus: Bilder, Texte und mündliche Diskurse vermengten sich zu Imaginationen des Bösen, Geheimen und politisch Unbestimmbaren (Jucker).

Im England der Frühneuzeit wurde unter Hochverrat nicht erst der Mord am König selbst verstanden, sondern dessen Planung in Wort und Tat. Durch diese offene Fassung avancierte der Verratsvorwurf seit der Medienrevolution des 17. Jahrhunderts zu einem Passepartout zur Kriminalisierung politischen Handelns. Entscheidend war dabei die Deutungshoheit in massenwirksamen Medien (Krischer).

Am Beispiel der Rezeption des Verrates Franz Raffls an Andreas Hofer wird aufgezeigt, wie im vorwiegend elitären Diskurs ein wesentlicher Bestandteil des entstehenden Mythos um den nationalen „Helden“ Hofer konstruiert wurde (Oberhofer).

Im 20. Jahrhundert machte der Verratsbegriff nicht nur durch spektakuläre Spionagefälle, sondern auch durch Leaking brisanter Informationen Karriere. Als Antwort auf diese Störungen wurde die diskursive Ressource des Verrats genutzt. Interessanterweise ist dies auch für investigative Medien selbst zu beobachten.

 

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