Schuld - Sühne - Recht. Gerechtigkeitsvorstellungen, Rachephantasien und juristische Interventionen um 1945/46
Zeit: 28.09.2012, 09:15 - 13:00Ort: P 104
Kategorie: Neuere/Neueste Geschichte
Sektionsleiter/in: Stefanie Schüler-Springorum / Ulrike Weckel
Abstract:
Die unmittelbare Nachkriegszeit hat in den letzten Jahren wieder verstärkt historiographische Aufmerksamkeit gefunden. Allerdings kranken nicht wenige dieser Annäherungen daran, dass sie die Vergangenheit durch das Prisma heutigen Wissens und mit moralisierendem Gestus beurteilen. Unsere geplante Sektion setzt hier an und möchte stattdessen die zeitgenössischen Akteure selbst, ihre Wahrnehmungen, Phantasien und Handlungsspielräume in den Blick nehmen. Dabei geht es zunächst um die Frage, welches Bild sich jüdische Opfer noch während des mörderischen Geschehens und gleich nach der Befreiung von den Tätern und ihren Taten machten und welche Vorstellungen von Gerechtigkeit, Rache oder Sühne sie entwickelten. In einem zweiten Schritt sollen die konkreten Handlungsoptionen untersucht werden, die jüdische Organisationen als nichtstaatliche Gruppierungen besaßen. Welche Versuche und Interventionsmöglichkeiten gab es auf jüdischer Seite, nicht nur „gehört“ zu werden, sondern sich aktiv selbst für die juristische Ahndung der Verbrechen und/oder für Restitution einzusetzen. Und schließlich: Welche Resonanz fand dies in der deutschen Nachkriegsgesellschaft, in der bereits Angst vor „jüdischer Rache“ grassierte? Wir möchten mit dieser Sektion die Schuldfrage auf neue Weise historisieren und damit zugleich eine (selbst-)kritische Diskussion über Funktionen des Moralisierens in der Erforschung der NS-Nachgeschichte anregen.