Sophie Kühnlenz Elias Nüse (Sektionsleitung)

Umstrittene Bronzen, gegenderte Technik, (im)materielle Musik. Quellen musealer Wissensproduktion und ihr Potential für die Geschichtswissenschaft

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Abstract

Moderne Museen waren in ihrer Vielfalt schon immer umstrittene Orte: von ihren bürgerlichen, nationalen und imperialen Anfängen bis hin zu multimedialen Blockbuster-Ausstellungen heute. Museen wurden gefeiert und kritisiert, in den Himmel gelobt und verrissen, seit sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich waren. Heute scheint es, dass Museen - als Institutionen der kulturellen Selbstvergewisserung - ihren gesellschaftlichen Einfluss sogar noch verstärkt haben, aber auch mehr denn je in Frage gestellt werden. Ob Technik, Ethnologie oder Geschichte - in Museen wird gesellschaftliches Wissen verhandelt und produziert, kritisiert und legitimiert. Wie können Quellen und Praktiken musealer Wissensproduktion für die geschichtswissenschaftliche Forschung nutzbar gemacht werden? Welches Potential bergen sie für die Dekonstruktion hegemonialer Deutungs- und Wahrheitsansprüche in und außerhalb von Museen?

Anhand mehrerer Fallstudien fragen wir nach dem Potential von Praktiken und Quellen
der musealen Wissensproduktion. Von umstrittenen Bronzen und deren Rückgabe im Kontext kolonialer Handelsbeziehungen, der Rolle digitaler und sozialer Medien in Restitutionsdebatten, über die Sammlung und Dokumentation gegenderter technischer Artefakte bis hin zur Ausstellbarkeit von elektronischer Musik diskutieren wir, wie museale Dinge und Narrative kritisch befragt, herausgefordert und neu betrachtet werden können.
Können Museen zu Institutionen werden, die gesellschaftliche Machtverhältnisse kritisch reflektieren und ihre eigenen Praktiken des Ein- und Ausschließens von Dingen, Menschen und Perspektiven grundsätzlich in Frage stellen? Oder sind Museen als hierarchische, kolonial und patriarchal verfasste Institutionen trotz allem Reflexionsbestreben der Re-Produktion gesellschaftlicher Hegemonien ausgeliefert?

 

Jamie Dau (Hamburg)
Provenienzforschung und der Weg zur Rückgabe: Die Benin-Bronzen

Zurückgeben oder nicht und wie? Die postkoloniale Provenienzforschung in Deutschland wirft gerade in jenen Fällen spannende Fragen auf, wo formal nie eine deutsche Kolonie unterhalten wurde. Ein Beispiel hierfür ist die Rückgabe der sogenannten Benin-Bronzen an das heutige Nigeria. Die Untersuchung solch sensibler Provenienzen gibt dabei Anlass, über das Verhältnis zwischen Kolonisierten und Kolonisatoren nachzudenken: Inwieweit reproduzieren oder verstärken wir historisch gewachsene Machtgefälle, wenn wir die Herkunftsgesellschaften bei der Eigentums-rückübertragung translozierter Kulturgüter (nicht) einbeziehen und welche Rolle spielen die ethnografischen Museen unserer Zeit dabei?

Sophie Gerber (Wien) Sophie Kühnlenz (Erfurt)
Vom Sammeln, Suchen und Sichten. Perspektiven auf Technik und Geschlecht im Museum

Wie lässt sich die bisher vernachlässigte Vielfalt und Vielschichtigkeit vergeschlechtlichter technischer Artefakte im Museum sammeln, dokumentieren und kategorisieren? Anhand verschiedener Objekte aus den Sammlungen des Technischen Museums Wien diskutieren wir eine genderinformierte Sammlungs– und Dokumentationspraxis: Wie kann vermeintlich sicheres Wissen über Technik (und Geschlecht) hinterfragt werden? Wie kann neues Wissen produziert und festgehalten werden, ohne Stereotype zu reproduzieren? Ziel ist es, historisch gewachsene Sammel– und Kategorisierungspraktiken neu zu befragen und die Auseinandersetzung mit Objekten für die geschichtswissenschaftliche Forschung weiter fruchtbar zu machen.

Richard Legay (Freiburg)
Comparing the restitution of cultural heritage in France and in Germany

After years of activism, notably online, the #BringBackNgonso campaign was finally successful and saw the Humboldt Forum agreeing in 2022 to the return of the statue of Ngonnso, the queen mother of the Nso people, to Cameroon. In November 2021, following the demands of the Benin Republic and the promises made in his 2017 speech in Ouagadougou, President Macron returned 26 royal treasures to President Talon. What are the origins and implications of such differences in actors, levels and institutions involved in restituting cultural heritage between France and Germany? What is the impact of the international mediatisation of the debates?

Elias Nüse (Köln)
Das ravende Museum – Museale (Re)Präsentationen elektronischer Musik

Museen als traditionelle Institutionen des Zeigens materieller Objekte stehen vor großen Herausforderungen, wenn es darum geht, immaterielle Phänomene zu musealisieren. Anhand von „Technokultur“ als musikalische, also genuin immaterielle Kultur, diskutiert dieser Beitrag, welche Mittel und Wege – oder kurz: welche Quellen – das Museum als Institution nutzen kann, um vergangene Musik kulturhistorisch zu präsentieren. Der Fokus liegt dabei auf den narrativen, physischen und gestalterischen Zugriffen.

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