Oliver Auge Frederic Zangel (Sektionsleitung)

Fragiles Lehnswesen – außer Lehen nichts gewesen? Das Lehnswesen zwischen historischer Realität, wissenschaftlichem Modell und Geschichtsunterricht

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Abstract

Mit dem Lehnswesen nimmt die Sektion ein Forschungsfeld in den Blick, das lange als „ausgeforscht“ galt, seit den von Susan Reynolds in den 1990er Jahren gegebenen Impulsen aber einer grundlegenden Revision unterzogen wurde und nun von Grund auf neu diskutiert wird. Innerhalb des Faches Geschichte kann das Thema in unterschiedlicher Art und Weise neu bearbeitet werden, wobei sich eine angeblich gesicherte Wissensbasis zunehmend als fragiles Faktengemenge herausstellt.

Für die Mediävistik stellt sich etwa die Frage, ob auf Europa insgesamt oder allein auf eine Region bezogen, anhand welcher Termini das Lehnswesen als historisches Phänomen in den Quellen erkennbar ist. Eine früher postulierte zwangsläufige Verknüpfung der Vasallität als personaler und des Lehens als dinglicher Komponente erwies sich vielfach als konstruiert. Dieses Missverstehen von Quellen verweist zudem auf zahlreiche Bezüge zur politischen Zeitgeschichte, die für das Lehnswesen ein nicht weniger spannendes Untersuchungsfeld darstellen. Für die Didaktik wiederum ist nicht abschließend geklärt, wie mit der im Schulbuch etablierten Lehnspyramide weiter umzugehen ist, die als Erklärungsmodell zur mittelalterlichen Gesellschaft eigentlich vollständig dekonstruiert wurde.

Die angedeutete Vielfalt möglicher Herangehensweisen wird für die Sektion genutzt, um zu einem umfänglicheren Bild des offenkundig fragilen Untersuchungsgegenstandes zu gelangen und zur laufenden Forschungsdebatte einen relevanten Beitrag zu leisten. Aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung ist die Sektion auch für LehrerInnen und SchülerInnen von großem Interesse.

Oliver Auge (Kiel)
Von scheinbar ausgeforschter Stabilität zu faktischer Fragilität? Perspektiven auf das Lehnswesen als komplexen Untersuchungsgegenstand

Spätestens mit Susan Reynolds‘ 1994 publizierter Monografie „Fiefs and Vassals“ wurde das Forschungsmodell Lehnswesen, das bis dahin als ausgeforscht galt, in seinen Grundfesten erschüttert – und diese Erschütterung hallt bis heute nach, wobei oft genug der Hinweis auf das Fehlen gesicherter Belege als Hebel dient. Im Eröffnungsvortrag der Sektion findet dieser Gegensatz zwischen dem theoretischem Konstrukt Lehnswesen und dessen schwerer Sichtbarkeit in den Quellen ebenso Berücksichtigung wie die Frage, welche Schlüsse für die weitere Wissensvermittlung daraus abgeleitet werden können.

Simon Groth (Bonn)
"Das Lehnswesen ist positiv gewendeter Feudalismus“. Über den Charakter einer Ordnungsmetapher

Eine Begriffsgeschichte des Lehnswesens stellt ein dringendes Desiderat dar. Denn trotz der derzeitigen Skepsis, ob damit die normative Ordnung des Mittelalters adäquat zu beschreiben ist, spielte das Lehnswesen in der deutschen Mediävistik für eine sehr lange Zeit eine maßgebliche Rolle als Metatheorie. Unter dem Rubrum der ‚Ordnungsmetapher` soll im Beitrag einer wesentlichen Charakteristik des Begriffes nachgegangen werden.

Thomas Martin Buck (Freiburg)
The Middle Ages without Feudalism – Wie, warum und zu welchem Zweck studieren und lehren wir Paradigmenwechsel?

Der Vortrag zeigt, dass Kontroversen in der Wissenschaft normal sind. Im Falle der Feudalismus-Kontroverse stand am Anfang allerdings die intellektuelle Resilienz derjenigen, die meinten, einen Eckpfeiler der verfassungsgeschichtlichen Meistererzählung des 19. Jahrhunderts verteidigen zu müssen. Als sich die „Schockstarre“ gelöst hatte, kehrte die Wissenschaft aber „in die Spur“ zurück. Dieser Prozess macht Mut, in Schule und Unterricht Kontroversen aktiv aufzugreifen.

Frederic Zangel (Kiel)
"lӕn“ als Lehen und „foghedæ“ als Vasallen? Zum Lehnswesen in Dänemark im (nord)europäischen Kontext

In Bezug auf Dänemark wird die Existenz eines Lehnswesens von der Forschung traditionell weitestgehend verneint. Es gilt kritisch zu untersuchen, inwieweit eine solche Annahme berechtigt ist. Zudem stellt sich die Frage, welche Erkenntnisse aus den im Zuge einer solchen Untersuchung gewonnenen Befunden für das Lehnswesen allgemein abgeleitet werden können.

Jürgen Dendorfer (Freiburg)
Zusammenfassung

In der Zusammenfassung werden die vielfältigen Blickwinkel auf das Lehnswesen zusammengeführt und aus dem dadurch entstehenden Gesamtbild neue Erkenntnisse gewonnen. Zugleich wird ein kurzer Ausblick gegeben, welche Schritte notwendig bzw. sinnvoll sind, um diesen zweifelsohne wichtig bleibenden Gegenstand der Forschung weiter kritisch zu erschließen und dabei sowohl dessen Vielschichtigkeit wie auch dessen Fragilität gerecht zu werden.

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