Heike Liebau Bernhard Gißibl Sebastian Dorsch (Sektionsleitung)

Present Past in the Era of Global Crises: Local Colonial Heritage in German Cities

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Abstract

"Human zoos," the Bismarck Monument, the Humboldt Forum, Mohrenstraße, or restitution of museum holdings: At present, many cities in Germany are increasingly dealing with their respective local colonial legacies. Hamburg, for example, is working on a "city-wide decolonizing remembrance concept," in 2020 Berlin launched the pilot project "Decolonial Remembrance Culture in the City," and Leipzig officially declared its intention to "incorporate Leipzig's colonial history into its culture of remembrance." In the process, local, often migrant-based initiatives are receiving increased media and political resonance for their critique of the treatment of colonial heritage. This is happening while disputes about the presence and value of the past are on the rise and, in the process, often orienting and exclusionary narratives of the national are experiencing a renaissance.

How can these developments be explained, what are the connections and what role is played by the fact that global crises (climate crisis, pandemic, energy crisis, questioning of democratic orders) are increasingly shaping perceptions of the future in the rich industrialized countries and thus in the (former?) colonial centers? How can colonial heritage be visualized locally in this age of global crises? And: What is the relationship between colonial narratives, which have so far been shaped primarily locally in Germany and the spatio-temporal, Eurocentric world order claims of modernity, such as progress, nation and history?

The section brings together leading civil society and post-migrant initiatives with practitioners of urban working through the past and university-affiliated researchers to reflect on the multi-perspectival and multi-directional visualization of colonial heritage at the local level and the associated spatio-temporal re-evaluations.

Noa K. Ha (Berlin)
Städtische Episteme dekolonisieren: Europa und die Europäische Stadt nach 1989 als koloniale Ordnung. Das Beispiel Berlin

Im Zentrum meines Beitrages steht die Gleichzeitigkeit der kolonialen Kontinuitäten nach dem formalen Ende des Kolonialismus als auch die neuen postkolonialen Bedingungen nach dem Ende des Kalten Krieges. Vor dem Hintergrund dieser historischen Kontextualisierung konzentriere ich mich auf die Diskussion eines stadtsoziologischen Modells – nämlich das der Europäischen Stadt – mit der auch ein städtebauliches Repräsentationssystem einherging, das nach 1989 Narrative des Kolonialismus aufnahm. Die Idee der Europäischen Stadt avancierte sowohl zum analytischen stadtsoziologischen Modell als auch zur Entwicklungsmaxime der Stadtentwicklungspolitik. Die Aktualisierung Europas nach 1989 wirft Fragen an die Möglichkeiten einer Dekolonisierung auf, wenn die bisherige anti- und dekoloniale Globalgeschichte in dieser Imagination keine konstitutive Bindung erfährt, noch eine transformative Perspektive für eine globale solidarische Weltordnung enthält.

Bebero Lehmann (Köln) Merle Bode (Köln)
Köln dekolonisieren? Eine kritische Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe im öffentlichen Raum und darüber hinaus

In unserem Input gehen wir auf verschiedene Aspekte bei der Konzeption unserer kritischen (post)kolonialen Stadtrundgänge in Köln ein: mit welchen Perspektiven zum Kolonialismus sind wir bei der Recherche konfrontiert, welche Erzählungen können die hegemoniale Geschichtsschreibung kritisch beleuchten, wie finden wir Orte kolonialer Geschichte in unserem Stadtviertel und was hat (Post)Kolonialismus eigentlich mit uns persönlich und der heutigen Gesellschaft zu tun? Seit 2021 gibt es in Köln ein Gremium zur Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit – wir beleuchten die Herausforderungen und Grenzen eines solchen Unterfangens.

Bernhard Gißibl (Mainz)
Zur Provinzialisierung der imperialen Metropole: Koloniale Verflechtungen der Handels- und Industriestadt Mannheim

Als Handels- und Industriemetropole am Zusammenfluss von Rhein und Neckar war Mannheim über die Jahrzehnte direkter deutscher Kolonialherrschaft hinaus mit den Kolonialgebieten Europas in Übersee verflochten. Neben dem Binnenhafen prägte die geographische Nähe zur Universitätsstadt Heidelberg die sozialen Ausprägungen und Formen, in denen das Koloniale in der Stadt präsent war. Der Beitrag versucht, über eine bloße „Spurensuche“ hinaus konzeptionelle Zugriffe für eine geschichtswissenschaftliche Analyse des Kolonialen im lokalen und regionalen Horizont zu entwickeln. Gleichzeitig wird die historische Perspektive auf die Thematik ergänzt durch eine zumindest kurze Skizze der stadtgesellschaftlichen Thematisierung von Mannheims Kolonialismus seit der Jahrtausendwende.

Johanna Sänger (Leipzig)
Kolonialgeschichte in der Messestadt: Wie erzählt und sammelt man heute koloniale Themen in der Stadtgeschichte?

Obwohl nur indirekt in den Kolonialhandel integriert, spielten in der Messestadt Leipzig “exotische” Kolonialgüter in der Wirtschaft wie auch im Alltag seit dem 16. Jahrhundert eine immer größere Rolle. Hier entstanden vor allem nach 1800 Orte, an denen kolonisierte Menschen in „Völkerschauen“, auch als Lehrobjekte des Rassendenkens, gezeigt wurden. Verschiedene Initiativen engagieren sich für die kritische Vermittlung dieser Geschichte(n), oft lebhaft debattiert. Als Teil einer Sonderausstellung 2022 zu einer regionalen Gewerbeausstellung mit Kolonialausstellung 1897 konnten Museum und Aktivisten Fragen des postkolonialen Umgangs mit historischen Quellen diskutieren und umsetzen.

Suy Lan Hopmann (Hamburg)
Wie dekolonisiert man eine Stadt? Hamburger Auseinandersetzungen mit der kolonialen Vergangenheit und Gegenwart

2014 hat sich Hamburg offiziell zur Aufarbeitung des Kolonialen Erbes verpflichtet. Mit der Gründung des Runden Tischs Koloniales Erbe wurde 2017 ein Forum geschaffen, in dem sich alle Interessierten an der Diskussion beteiligen können. Aus diesem Runden Tisch ging 2019 ein Beirat hervor, der die Behörde für Kultur und Medien beim Verfassen eines dekolonisierenden Erinnerungskonzepts berät. Das Wissen um das Koloniale Erbe ist vorhanden. Es kann nun über die Expert:innenkreise hinaus in die Gesellschaft vermittelt werden – anhand konkreter Orte, Bilder und Geschichten. Mit dem Erinnerungskonzept und seiner Umsetzung werden Angebote für die Stadtgesellschaft zur Führung dieses Gesprächs gemacht.

Florian Wagner (Erfurt)
Die Provinz provinzialisieren? Dezentralisierung der Kolonialgeschichte und Dekoloniale Erinnerungsarbeit am Beispiel Thüringens

Gemeinhin werden ländliche Regionen in Ostdeutschland als peripher für die Kolonialgeschichte angesehen. Dies ist historiographisch leicht zu widerlegen, aber in der Bildungs- und Erinnerungsarbeit dieser Regionen schwer zu vermitteln. Einerseits wird das koloniale Erbe angesichts der Transformationskrise oft als irrelevant erachtet und seine Thematisierung als politisiert wahrgenommen. Andererseits hat sich eine (Selbst-)Wahrnehmung etabliert, die zur Erklärung der Wendekrise koloniale Opfernarrative appropriiert, universalisiert und in gewisser Weise auf den Kopf stellt. In diesem Beitrag soll die Rolle von Kolonialismus-Aufarbeitung und dekolonialer Erinnerungsarbeit im als kolonialgeschichtlich provinziell wahrgenommenen Ostdeutschland thematisiert werden. Dabei kann der Sprecher vergleichend auf Erfahrungen als Mitarbeiter der Forschungsstelle zum Hamburger (Post-)Kolonialen Erbe und als Mitglied der Koordinationsstelle zum kolonialen Erbe in Thüringen zurückgreifen.

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