Christian Marx Ralf Ahrens (Sektionsleitung)

Politics and the Price Level. Inflations and Economic Paradigms in the 20th Century

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Abstract

The current return of inflation after a relatively long phase of price stability reminds us that increases in the macroeconomic price level are a regular concomitant of capitalist economies. The causes and magnitudes, however, are irregular: Inflation can have economic or political reasons, reflect shortages of supply or excess demand and can be moderate or dramatic. Inflation rates are not only indicators of the cyclical or structural problems of an economy. They are also a socio-historical phenomenon because they influence structures of social inequality and arouse anxieties about the future, which can shift the relationship between creditors and debtors sustainably and, in extreme cases, destroy the financial livelihoods of large parts of the population. Therefore, their dampening is considered a central task of economic and, in particular, monetary policy.

Accordingly, the presentations of the section move at the intersections of economic and political history. In a longitudinal section through the 20th century and in an international comparison, the guiding question is pursued as to whether different political reactions to the depreciation of currencies and the associated price increases can be attributed to economic and economic policy paradigm shifts. This brings actor constellations into focus that go far beyond the narrower field of monetary policy: the admission or suppression of inflation was the result of negotiation processes that were influenced by economic policy priorities and economic expertise as well as voter interests and media commentary. Ultimately, this reflected the prevailing or contested ideas of the purpose and legitimacy of state action and economic orders.

The event will take place in the Zimeliensaal of the museum.

Gisela Hürlimann (Dresden)
Moderation
Christian Marx (München) Ralf Ahrens (Potsdam)
Einführung
Roman Köster (München)
Herren des Geldes? Die Inflationspolitik europäischer Zentralbanken während der 1920er Jahre im Vergleich

Die Zentralbanken erlebten in der Zwischenkriegszeit eine starke Aufwertung ihrer wirtschaftlichen und politischen Rolle. Der wichtigste Grund dafür lag in den gravierenden Inflationen, die zahlreiche europäische Staaten nach dem Ersten Weltkrieg durchmachten. In den institutionellen Arrangements, die als Reaktion auf diese Inflationserfahrung geschaffen wurden, spielten unabhängige Zentralbanken mit politisch einflussreichen Präsidenten eine entscheidende Rolle. Die Zentralbanker verstanden sich dabei als eine Elite, die unabhängig von Ideologien und den Zwängen des politischen Tagesgeschäfts operierte. Dieses Selbstverständnis wurde während der Weltwirtschaftskrise zunehmend herausgefordert und machte neuen Politikmodellen Platz.

Christian Marx (München)
Inflationsbekämpfung im Wiederaufbau. Zur Bedeutung historischer Inflationserfahrungen für die Geldpolitik der westdeutschen Zentralbank in den 1950er und 1960er Jahren

Die Hyperinflation von 1923 hat sich tief in das kollektive Gedächtnis der Deutschen eingeschrieben und prägte neben der Weltwirtschaftskrise und der Geldentwertung infolge der NS-Aufrüstung eine ganze Riege deutscher Zentralbanker, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Leitung der Bank deutscher Länder bzw. der Deutschen Bundesbank übernahmen. Jene Inflationserfahrungen der Zwischenkriegszeit sowie die daraus abgeleiteten Erkenntnisse über Wirkungszusammenhänge zu politischen, sozialen und ökonomischen Entwicklungen bildeten die Basis für einen inflationsaversen Konsens, der zum festen Bestandteil einer restriktiven Geldpolitik der deutschen Zentralbank in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten wurde.

Ralf Ahrens (Potsdam)
Die Angst vor der galoppierenden Inflation. Monetarismus, Geldmengensteuerung und Konjunktur in der Bundesrepublik der 1970er Jahre

Die Einführung der Geldmengensteuerung 1974 gilt als prominentes Beispiel für den Übergang der westlichen Zentralbanken von einer keynesianisch orientierten zu einer monetaristisch verengten Geldpolitik. Trotz ihrer formalen Unabhängigkeit war die Deutsche Bundesbank jedoch in breitere politische Debatten über die Bewältigung der Stagflation eingebunden. Der Vortrag verortet die Position der Bundesbank im Inflationsdiskurs der 1970er Jahre und fragt, inwiefern der grundsätzliche Schwenk der Inflationsbekämpfung auf einen Paradigmenwechsel im geldtheoretischen Mainstream reagierte und wie sich die Furcht vor einer „galoppierenden“ Inflation auf die geldpolitische Praxis auswirkte.

Juliane Clegg (Stuttgart)
Zwischen Paradigma und Pragmatismus: Monetaristische Geldpolitik und Inflationsbekämpfung im Großbritannien der Ära Thatcher (1979-1990)

Der Beitrag beleuchtet die antiinflationäre Ausrichtung von Margaret Thatchers wirtschaftsliberaler Reformpolitik. Er zeigt erstens die politische und intellektuelle Vorbereitung durch Krisen- und Niedergangsnarrative, wirtschaftswissenschaftliche Theorien und monetaristische Ansätze auf. Zweitens untersucht er die pragmatischen Anpassungen der Geldpolitik zwischen 1979 und 1990. In einem Ausblick auf New Labour diskutiert er die Anreize, die Grundzüge eines etablierten Paradigmas fortzuführen. Inflation wird damit nicht nur als wirtschaftliches Phänomen, sondern auch als politisches und moralisches Argument bei der Durchsetzung und Etablierung von Wirtschaftsparadigmen untersucht.

Laura Rischbieter ((Konstanz))
Gewünschte und unerwartete Unsicherheiten. Nationale Inflationsbekämpfung als Problem internationaler Wirtschaftspolitik in den 1970er und 1980er Jahren

In den 1970er und frühen 1980er Jahren sahen sich die Regierungen zahlreicher Länder mit als neuartig empfundenen ökonomischen Unsicherheiten, wie wirtschaftlicher Stagnation, hoher Inflation und steigenden Energiepreisen, konfrontiert. Gleichzeitig herrschte die Angst, nationale Maßnahmen könnten zwar zum Vorteil einzelner Länder sein, aber negative Auswirkungen auf die globale Ökonomie nach sich ziehen. Der Vortrag behandelt die Frage, inwiefern Unsicherheit die Überlegungen zu möglichen Maßnahmen bestimmte und warum letztendlich internationale politische Initiativen und Steuerungsversuche scheiterten trotz der Erwartung, ein solches Verhalten könnte eine zweite große Depression einleiten.

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