Christian Dietrich (Sektionsleitung)

New Times, Different Orders. On the Rearrangement of the Past in Political Changes

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Abstract

Political ruptures and so-called turning points are accompanied by reassessments. At the moment of a "turning point," the gaze is directed toward the future in the interest of exploring new horizons of expectation and room for manoeuvre; on the other hand, political actors use situations of upheaval to revalue the past and to overturn supposed realities. The spectrum of reorganizations, of which there are numerous examples in the modern and recent history of Central and Eastern Europe, ranges from the legitimization of rule to the delegitimization of rule through the development of politically subversive practices. What these attempts at reorganization have in common is that they seek their material in the past or in the historical narratives that have prevailed to date. The section contributions are dedicated to this event-induced questioning of historical facts.

With comparative intentions, the speakers of the section present case studies of the revaluation, reorientation and reordering of historical facts. They will ask about the real types of palimpsests, as well as historical-political turns that illustrate the fragility of historical facts. The lectures touch on the transformation of legal, social and political orders and focus on the space between the Oder and the Vistula.

Students and teachers are cordially invited to attend.

Christian Dietrich (Halle-Wittenberg/Frankfurt an der Oder)
Kontinuitätsversprechen als Herrschaftslegitimation. Geschichte als Gegenstand symbolischer (Neu)Ordnung

Der Vortrag führt in die Sektion ein und skizziert Typen des Denkmalsturzes. Ausgehend von der These, dass neue Vergangenheitsinterpretationen oft auf eine Erwartungslosigkeit in der Gegenwart reagieren, soll gezeigt werden, wie der Denkmalsturz nicht nur im Bruch mit dem Vergangenen, sondern in der Imagination des Kommenden besteht. Dabei wird auf der Grundlage literarischer und politikhistorischer Beispiele das Spannungsfeld von Diskontinuität und Kontinuität bei der Etablierung politisch-symbolischer Ordnungen illustriert.

Claudia Kraft (Wien)
Rechtskulturen im Herzogtum Warschau (1807-1815): Der Code Civil als transformative Ressource

Der Vortrag betrachtet Rechts- und Verwaltungskulturen im Herzogtum Warschau. Für die polnischen Eliten waren die Jahre um 1800 durch politische und sozioökonomische Umbrüche geprägt. Selbstentwürfe mussten den Transformationen angepasst werden, um Elitenpositionen mit neuen Vorstellungen von Staatlichkeit und Gesellschaft in Einklang zu bringen. Zentral für diese Vermittlung zwischen Vergangenheit und Gegenwart waren Aufführungen von Staats- bzw. Rechtskulten. Der Vortrag nimmt das neue Zivilgesetzbuch des Herzogtums in den Blick, das von den historischen Akteuren genutzt wurde, um die Legitimität von und die Übergänge zwischen gesellschaftlichen Positionierungen zu inszenieren.

Sebastian Elsbach (Jena)
Die „Repolonisierung“ Großpolens. Geschichtsbilder als Mittel des Herrschaftsaufbaus in der ehemaligen preußischen Provinz Posen (1918/1919)

Der Vortrag widmet sich der Errichtung eines polnischen De-Facto-Staates auf dem Gebiet der ehemaligen preußischen Provinz Posen zwischen dem November 1918 und dem August 1919. Gefragt wird, welches Geschichtsbild von den neuen Machthabern zur Legitimierung ihrer Herrschaftsansprüche entwickelt und wie es verbreitet wurde. Die Übernahme, Aneignung und der Ausbau der vorhandenen staatlichen Institutionen wird dabei ebenso betrachtet wie das Verhältnis des Posener statelet zu den Zentralregierungen in Berlin und Warschau. Dabei soll gezeigt werden, wie zivile und militärische Akteure Geschichte zur Sicherung ihres jeweiligen Machtanspruches einsetzen.

Markus Nesselrodt (Frankfurt an der Oder)
Plötzlich preußisch: Die symbolische Aneignung der fremden Stadt Warschau (1795-1806)

Infolge der dritten Teilung der polnisch-litauischen Adelsrepublik fiel die Hauptstadt des ehemaligen Großreichs in die Hände des preußischen Monarchen Friedrich Wilhelm III. Warschau war zwar nicht zum ersten Mal von einer fremden Macht besetzt worden, doch anders als bei vorangegangenen Okkupationen beabsichtigten die Preußen die langfristige rechtliche und wirtschaftliche Integration der Stadt in ihren Herrschaftsbereich. Eine solche „Amalgamierung“, wie es zeitgenössisch hieß, umfasste auch eine Reihe von Versuchen der symbolischen Aneignung der fremden Stadt. Einige dieser Bestrebungen sollen vorgestellt und auf ihre Wirkmächtigkeit in der nicht-preußischen Stadtbevölkerung untersucht werden.

Stephan Stach (Leipzig)
Angetaute Erinnerung: Repräsentationen des Holocaust im ostmitteleuropäischen Poststalinismus

Der deutsche Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden hat überwiegend im östlichen Europa stattgefunden. Der Aufbau der sozialistischen Zukunft und der spätstalinistischen Antizionismus verdrängten die Erinnerung daran. Erst im Zuge der von Chruschtschow eingeleiteten Tauwetterperiode war eine Beschäftigung mit dem Holocaust möglich.

In meinem Vortrag untersuche ich anhand von wissenschaftlichen, dokumentarischen und literarischen Publikationen und deren Rezeption, wie solche Annäherungen im sozialistischen Block stattfanden, wie sie miteinander interagierten und wie versucht wurde, den Holocaust in das antifaschistisch-sozialistische Bild vom Zweiten Weltkrieg zu integrieren.

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