Stefan Esselborn Odinn Melsted (Sektionsleitung)

Industrially Produced Facts? Questions of Knowledge and Evidence in Energy and Environmental Debates of the 1970s and 1980s

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Abstract

Since the early 1970s, a number of hitherto seemingly incontrovertible "facts" - such as economic growth orientation, scientific and technological progress, but also political and social ability to plan and control - began to show a new fragility in the Western industrialized countries. New actors such as environmental and consumer protection groups, but also newly founded regulatory agencies increasingly pushed the representatives of established interests in industry, politics and science onto the defensive. These reacted, among other things, by stepping up their efforts to produce scientific knowledge. These new bodies of knowledge, which have so far only been studied in a very fragmentary way, will be the focus of this section. In doing so, we are confronted with a number of questions:

 

How was the new knowledge used, how and by whom was it received and/or appropriated? How did it relate to the new "counter-knowledge" of the critics of the status quo (cf. Stadler/Güttler 2020)?

 

What role did "anti-alternative" and industry-affiliated knowledge producers play in the development and dissemination of new forms of knowledge and evidence practices such as computer simulations, scenario analysis, or probabilistic risk research? How did they deal with the uncertainty and fragility inherent in these forms of knowledge?

 

To what extent is this "knowledge" in the true sense of the word, or rather tactically motivated interventions with a scientific veneer, as contemporary critics claimed? Can the "Merchants-of-Doubt" -thesis (Oreskes/Conway, 2010) be confirmed for other national and thematic contexts?

 

With the help of selected case studies, the section aims, first, to contribute to the study of the processes of change in the history of knowledge and science in the 1970s and 1980s and second, to contribute to a better understanding of the energy, resource and environmental debates of the period.

Stefan Esselborn (München)
Wahrscheinlich sicher. Die Atomindustrie und Risikowissen als Evidenzpraxis (1960er-1980er Jahre)

Im Rahmen der Kernkraftkontroverse der 1970er und 1980er Jahre suchte die Atomindustrie und ihre politischen Unterstützer nach einer neuen Evidenzpraxis, um die Sicherheit von Atomkraft gegenüber den Genehmigungsbehörden, aber auch einer zunehmend kritischen Öffentlichkeit nachzuweisen. Innerhalb kurzer Zeit entstand daraus ein umfangreicher neuer Forschungszweig, der sowohl (naturwissenschaftlich-technische als auch sozialwissenschaftliche Teilgebiete umfasste. Der Beitrag Erwartungen, Einfluß und Umgang der Nuklearindustrie mit dem Risikoansatz im Allgemeinen, sowie dem neuen Forschungsfeld in der BRD im Besonderen.

Odinn Melsted (Maastricht)
Grenzen des erdölbasierten Wachstums? Ressourcen- und Klimawissen der internationalen Ölindustrie (1970er-1980er Jahre)

In den 1970ern sah sich die Ölindustrie einerseits mit Ressourcen- und Umweltdebatten konfrontiert, in denen der Status Quo des erdölbasierten Wachstums in Frage gestellt wurde. Andererseits bescherten die Ölpreiskrisen Milliardengewinne, die in alternative Energien wie Solar- und Kernenergie investiert wurden. Der Vortrag untersucht die Konstruktion und Kommunikation von Ressourcen- und Klimawissen vonseiten der Ölindustrie, die fragile Fakten zu Erdölreserven erfasste sowie Abteilungen zur Ressourcenabschätzung, Zukunftsplanung und Umweltforschung betrieb.

Sönke Hebing (Aachen)
Recycling und Klima-Szenarien. Umweltdebatten im Spiegel der unternehmerischen Zukunftsforschung seit den 1980er Jahren

Für die Unternehmerische Zukunftsvorausschau waren Umweltdiskurse äußerst bedeutsam, stellten diese doch Geschäftsmodelle und Wettbewerbsfähigkeit infrage – neues planerisches Wissen war gefragt. Anhand der Beispiele BMW und Münchener Rück werden unterschiedliche Perspektiven auf unternehmerische Umweltdiskurse sowie der Stellenwert planerischen Wissens im Unternehmen in den Blick genommen. Es wird diskutiert, ob Unternehmen, deren technische Forschung und Kommunikation von Umweltdebatten beeinflusst wurden und inwiefern sie selbst ein in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einflussreiches Gegenwissen zu öffentlichen Umweltdiskursen etablieren konnten.

Laura Kaiser (Potsdam)
Kein Widerspruch zwischen Markt und Moral? Politikberatung und Debatten um ökonomische Instrumente zur Lösung des Umweltproblems in der Bundesrepublik (1970er Jahre)

In diesem Beitrag wird am Beispiel des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) die staatliche und wissenschaftliche Reaktion auf das neue gesellschaftliche Bedürfnis nach Umweltschutz sowie die Rolle der Umweltpolitikberatung untersucht. Es geht dabei in erster Linie um das neuere umweltökonomische Wissen, auf Grundlage dessen der Rat und das Bundesinnenministerium sich für die Aufnahme ökonomischer Instrumente zur Steuerung der Umweltpolitik einsetzten, und um die Frage, wie sich dieses Steuerungswissen im SRU und BMI im Laufe der 1970er Jahre aufgrund von Debatten mit Interessengruppen aus Industrie, Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit veränderte.

Elke Seefried (Aachen)
Ökonomisierung des Wissens? Umwelt-Wissenschaft, Unternehmen und Politik seit den 1970er Jahren

Dieser Vortrag diskutiert in einer breiteren Perspektive, inwiefern sich das Wissen über Umwelt seit den 1970er Jahren ökonomisierte. Die „Ökonomisierung“ – verstanden als kritisch unterlegter Sammelbegriff für Prozesse der Ausdehnung wirtschaftlichen Denkens und Handels auf andere Kontexte – ist zu einer neuen Analysekategorie in der Zeitgeschichtsforschung avanciert. Der Vortrag formuliert auf Basis der anderen Beiträge Thesen zu einer Ökonomisierung des Umwelt-Wissens in der Bundesrepublik im transnationalen Kontext, fokussiert den Zeitraum von den 1970er Jahren bis zur Jahrtausendwende und perspektiviert damit die hochaktuelle Frage des Verhältnisses von Ökologie und Ökonomie.

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