Anja Kruke Ewald Grothe (Sektionsleitung)

Fragile Files? Challenges of (Digital) Sources and Facticity

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Abstract

As is well known, there is a difference between historical reality and archival tradition. In short, what is handed down does not represent the completeness of what once emerged as a source. There are always gaps in the tradition: There may have been deliberate destruction, accidental loss, or forgotten transmission. A deliberate invention or falsification of digital documents is also conceivable.

The connection between existing tradition and research based on it has often been the subject of epistemological considerations. The question is always whether and to what extent a source-positivist evaluation unduly distorts historical accounts, or whether the tradition itself skews the entire historiography. These discussions were conducted in the 1960s under the banner of social history, which had been rather neglected until then and since the 1980s under the rubric of deconstructivism.

In the current discussion, however, the problem of a patchy and limited tradition has turned into a complaint about the overabundance of tradition. This circumstance raises the question of what expectations historians have of the archival record, what role archivists play in the selection of records in their appraisal process and what technological problems between preservation, appraisal/development and evaluation play a role. In each of the three respects, questions can be asked about the factuality of tradition, whether it is written or audio-visual sources.

These questions point to various possibilities for an epistemological consideration of the interrelationship between tradition and the emergence of facticity. What is an authentic tradition with integrity? What are the preconditions, what are the consequences for the work of archives and what are the consequences for historians?

Anja Kruke (Bonn)
Einführung: Herausforderungen von (digitaler) Überlieferungsbildung und Faktizität
Ewald Grothe (Gummersbach/Wuppertal)
Fakten oder Fakes? Fälschung und Verfälschung bei analogen und digitalen Quellen

Die Frage der Vollständigkeit und Integrität historischer Überlieferung stellt sich nicht erst seit der Entstehung und archivischen Übernahme digitaler Dokumente – sie ist vielmehr ein Grundproblem seit Geschichte erforscht wird. Seit jeher gab und gibt es Fälschungen in der Geschichte. Von Fake News spricht die Welt nicht erst, aber ganz besonders seit der Präsidentschaft von Donald Trump.

In dem Vortrag soll die Problematik grundsätzlich diskutiert werden, wie die Geschichtswissenschaft mit dem Problem von Fälschung und Verfälschung bisher verfahren ist. Durch die Digitalisierung bedarf es eines Neuansatzes v. a. in methodischer Hinsicht, ohne die Diskussion auf datentechnische Verfahren zu verkürzen.

Peter Worm (Münster)
Archive und ihr Umgang mit elektronischer Überlieferung: digitale Demenz verhindern und aussagekräftige Quellen sichern

Elektronische Verwaltungstätigkeit ist trotz aller Unkenrufe auf dem Vormarsch und in manchen Bereichen seit den 1980ern schon längst Realität. Fast genauso lang machen sich Archive Gedanken über die langfristige Sicherung der entstehenden Unterlagen und ihre Bereitstellung für die Forschung. Neue Quellentypen, die durch internetbasierte Dienste entstanden sind und sich rasant weiterentwickeln, sorgen für große Herausforderungen – zumal gleichzeitig der Originalerhalt analoger Quellen die Archive vor riesige Probleme stellt.
Der Vortrag will am Beispiel des Stadtarchivs Münster einen kurzen Überblick darüber geben, was Archive tun, um eine aussagekräftige Überlieferung aus dem elektronischen Überangebot an Informationen zu gewinnen, wo dabei personelle und strukturelle Ressourcen Grenzen setzen, und ob Historikerinnen und Historiker der Zukunft weiterhin überlegen müssen, welches Archiv für welche Unterlagen zuständig ist und wie sie an ihre Forschungsdaten kommen.

Andreas Marquet (Bonn)
Von digitalen Objekten zu Archivgut: „Uneindeutigkeit“ in der digitalen Überlieferungsbildung

Digitale und hybride Unterlagen haben unterschiedliche Entstehungskontexte, die oftmals nicht verbindlich miteinander in Bezug gesetzt sind. Hieraus erwachsen „Uneindeutigkeiten“ in der archivischen Überlieferungsbildung, die von Historiker_innen quellenkritisch reflektiert werden müssen. Der Beitrag führt an konkreten Beispielen aus, wie hieraus neue Anforderungen an die archivische Überlieferungsbildung erwachsen und ein möglicher Umgang hiermit aussehen könnte.

Marcus Feldbrügge (Münster)
Über die Immersion und ihr geschichtswissenschaftliches Erkenntnispotenzial

Mit dem iconic turn ist deutlich geworden, dass Erkenntnis nicht allein über den Text, sondern auch über das Bild gewonnen wird. Vorwiegend visuelle Medien, wie die Virtuelle Realität (VR) oder die Augmentierte Realität (AR) erfreuen sich einer immer größeren Beliebtheit zur Wissensvermittlung. Im Vergleich zu anderen Bildmedien ist jedoch bislang nur unzulänglich erforscht worden, welche epistemischen Potenziale hinter VR/AR für die historische Forschung stecken. Ausgehende von der Hermeneutik Hans-Georg Gadamers, die darauf abzielt, Wahrheit durch Erfahrung zu vermitteln, soll exemplarisch gezeigt werden, inwieweit Wissen mithilfe von immersiven Technologien (VR/AR) generiert werden kann.

Malte Thießen (Münster)
Die Geschichte des 21. Jahrhunderts schreiben lernen: Welche digitale Überlieferung braucht zeithistorische Forschung?

Digitale Quellen scheinen nur so zu sprudeln. Für Forschungen zur Geschichte des 21. Jahrhunderts kommen Historiker:innen daher kaum noch um digitale Quellen herum. Sowohl die Quellenfülle als auch die langfristige digitale Überlieferung stellen für solche Forschungen allerdings ein fundamentales Problem dar. Nach wie vor arbeiten Historiker:innen relativ hemdsärmlich, fehlen etablierte Erschließungssysteme und Kompetenzen einer digitalen Quellenkunde. Anhand von Forschungen zur Geschichte des 21. Jahrhunderts skizziere ich aktuelle Praktiken und Probleme der digitalen Überlieferungsbildung und spüre den Potenzialen digitaler Überlieferungen für zukünftige Forschungen nach.

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