Heidi Hein-Kircher Christoph Kampmann (Sektionsleitung)

False Securities? Concepts of Disintegration and the (Re)establishment of Peace Orders

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Abstract

Since the beginning of the Russian war of aggression against Ukraine, there has been an intensive discussion about false hopes and expectations, which are certainly also characterized by wishful thinking, in the supposed security of a pan-European peace order, which has proven to be a fragile fact in its own way. Demands for a fundamental paradigm shift do not only concern the political sphere but are also raised in the relevant academic discussion. Thus, controversial debates developed about the necessity of a (historical-) scientific change of perspective on the topic of war, peace and international security, in which constructivist and cultural-historical concepts are also put to the test and questioned. This section is in line with these current academic debates. It deliberately wants to take up cultural-historical approaches to questions and discuss their applicability in a comparative way. In order to be able to classify the scholarly debates, it focuses on a trans-epochal comparative view of the disintegration and (re-)establishment of European peace orders and thus pursues a double interest in knowledge: With which processes, patterns of interpretation and debates was, first, the disintegration of peace orders connected, how did historical actors discuss and handle the supposed security of a peace order at the moment of its disintegration? Second, what practices and instruments were used to (re)establish peace orders and what role did notions of "false security" play as a horizon of experience and a frame of reference?

Heidi Hein-Kircher (Marburg)
Einführung

Die Einführung in die Sektion wird den konzeptionellen Rahmen der Sektion erläutern: Ausgehend von der Prämisse, dass Friedensordnungen „Sicherheit“ und „Frieden“ suggerieren, aber revisionistische Haltungen und häufig nur durch militärische Gewalt aufrechterhalten werden können, wird das gängige Verständnis von “Ordnung” im Sinne von “Dauerhaftigkeit” und “Stabilität” als Form von “Sicherheit” in vergleichender und konzeptioneller Perspektive hinterfragt. Anschließend soll diskutiert werden, inwieweit Friedensordnungen häufig nicht Sicherheit für die Beteiligten bedeuteten, sondern vielmehr Unsicherheitsempfinden provozierten.

 

Christoph Kampmann (Marburg)
Frieden als Neubeginn? Perspektiven auf Friedens- und Sicherheitsordnungen in der Frühen Neuzeit

Im Mittelpunkt dieses Beitrags stehen grundsätzliche Überlegungen zur Deutung von Friedens- und Sicherheitsordnungen in der Frühen Neuzeit. Traditionell galt im frühneuzeitlichen Völkerrechts- und Politikverständnis ein Friedensvertrag als Wiederherstellung der bestehenden, durch Krieg temporär gestörten Friedensordnung. Seit dem 18. Jahrhundert gewann die Vorstellung an Bedeutung, dass nach dunklen Epochen kriegerischer Anarchie Friedensordnungen und Sicherheitsarchitekturen durch Verträge grundlegend neu errichtet werden konnten. Dies veränderte die Erwartungen an die Gestaltungsmöglichkeiten von Politik und Diplomatie.

Dorothée Goetze (Sundsvall)
Eine Pax Nordica? Das Ringen um Sicherheit und Friedensordnungen im Ostseeraum im Kontext des Großen Nordischen Krieges (1700–1721)

Mit dem Beginn des Großen Nordischen Krieges im Februar 1700 zerbrach die im Ostseeraum bestehende Friedensordnung. Erst mit den Verträgen von Stockholm, Fredriksborg und Nystad 1720/1721 gelang es den regionalen Akteuren Schweden sowie Dänemark, Polen-Litauen(-Sachsen) und Russland (später auch Braunschweig-Hannover und Brandenburg-Preußen), eine neue Friedensordnung zu errichten. Die bereits vor Februar 1700 entwickelten Konzepte für eine neue Friedensordnung wurden im Verlauf des Krieges zwischen den Konfliktparteien wiederholt modifiziert. Der Vortrag untersucht, wie diese Konzepte das Agieren der antischwedischen Allianz während des Krieges und der Friedensverhandlungen beeinflussten.

Frank Rochow (Halle-Wittenberg/Cottbus-Senftenberg)
Die Revolution von 1848 überwinden - Instrumente zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung im habsburgischen Galizien

Die Revolution von 1848 stellte die territoriale Integrität der Habsburgermonarchie offen in Frage. Auch forderten neue soziale und räumliche Mobilitäten das bisherige Ordnungsverständnis der herrschenden Elite offen heraus. Um diese verloren geglaubte Ordnung und den inneren Frieden, d.h. den Frieden innerhalb der revolutionären Kronländer, wiederherzustellen, wurde 1848 und in der unmittelbaren Folgezeit in erster Linie auf militärische Mittel zurückgegriffen. Der Vortrag arbeitet die sich zum Teil widersprechenden ordnungs- und sicherheitspolitischen Vorstellungen der Herrschenden sowie die konkreten lebensweltlichen Implikationen der ergriffenen Maßnahmen für die Bevölkerung heraus.

Nicole Immig (Gießen)
Herausforderungen der Pariser Friedensordnung aus post-osmanischer / türkischer Sicht

Die Pariser Vorortverträge setzten nach dem Ersten Weltkrieg eine europäische Friedensordnung durch, die aber in den betroffenen Staaten revisionistische Strömungen provozierte. Der Vortrag diskutiert daher, wie nach dem Vertrag von Sevrès 1920 eine post-osmanische revisionistische Politik entstand und diese Friedensordnung herausforderte: Nach einem türkischen Sieg über Griechenland wurde er 1923 in Lausanne revidiert, wodurch das Territorium der heutigen Türkei festgelegt und die vollzogenen Vertreibungen von ethnischen Minderheiten nachträglich anerkannt wurden – diese territorialen Regelungen sind Ausgangspunkt des gegenwärtigen türkisch-griechischen Konfliktes.

Karsten Brüggemann (Tallinn)
Das sowjetische Baltikum – ein Garant für den Frieden? Vil’jam V. Pochlëbkin (1923-2000) und die europäische Nachkriegsordnung

Die „baltische Frage“, d.h. die Frage der Akzeptanz der sowjetischen Annexion der drei Staaten Estland, Lettland und Litauen 1940/44, zieht sich als Problem der internationalen Politik durch die Nachkriegszeit. Sie ist hinsichtlich der westlichen Reaktionen oft analysiert worden, doch fanden sowjetische Perspektiven weniger Berücksichtigung. Der Vortrag beschäftigt sich daher mit Argumenten (etwa dem breit rezipierten Werk des Historikers, Skandinavisten und Spezialisten für internationale Politik, Vil’jam V. Pochlëbkin), die sowjetischerseits ins Spiel gebracht wurden, um die Nachkriegsordnung von Jalta in Hinblick auf die „baltische Frage“ zu legitimieren.

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