Stefanie Schüler-Springorum Maria Alexopoulou (Sektionsleitung)

At the Margins of Success – Segregated Histories of the (Early) Federal Republic of Germany

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Abstract

Although the "Stunde Null" (hour zero) has long been historiographically deconstructed, personal entanglements uncovered and missing new beginnings shown in numerous areas, the judgment regarding the constant democratization tendency of the Federal Republic remains valid. At the same time, the success model of the Federal Republic continues to struggle with ambivalences, the causes of which seem to lie in a peculiar way outside of its time and space. As soon as they occur and are observed, they are regarded as relapses into the "old," as milieu-specific aberrations, or even as anthropologically conditioned crisis rituals. Therefore, it seems appropriate to fixate on that which continues critically, which is usually understood as overcome (or in the process of being overcome) in the dominant narrative of progress: nationalism/völkische community concepts, anti-Semitism, racism, authoritarianism, anti-pluralism, heteronormativity. The continued existence of these phenomena should not be seen as a "lingering afterglow," but should be understood as historical forces sui generis. The underlying hypothesis is that a closer examination reveals not their gradual disappearance, but rather temporally and spatially embedded, constantly modulating developments. This opens up other focal points on the history(ies) of the old Federal Republic. The planned panel aims to take a closer look at some groups of actors and fields of topics in the initial decades of the Federal Republic. Specifically, suppressions "from success," discriminations, segregations and deliberate exclusions can be observed, particularly among those groups that were not part of the "Volksgemeinschaft" (national community) before. In addition, structural, institutional and knowledge formations can be identified that also speak to the independent continuation of anti-democratic, anti-liberal, anti-pluralistic and racist tendencies.

Stefanie Schüler-Springorum (Berlin)
Einführung
Anna Junge (Berlin)
Unerwartete Nachbarschaft. Jüdisch-nichtjüdisches Wiedersehen im ländlichen Nachkrieg

Der Vortrag widmet sich Wiederbegegnungen und Arrangements von deutschen Shoah-Überlebenden mit ihrer Nachbarschaft in der Nachkriegszeit im ländlichen Raum. Nach Lagern und Todesmärschen zogen als Juden Verfolgte 1945 zurück in ihre Herkunftsorte. Auf dem Land waren sie meist die einzigen Überlebenden pro Ort. In Spruchkammer- und Rückerstattungsverfahren trafen sie ihre Nachbarschaft bald vor Gericht und verhandelten die Vergangenheit. Am Beispiel einiger Dörfer in Hessen wird gezeigt, dass diejenigen, die langfristig bleiben wollten, Kompromisse eingingen und für ihre Akzeptanz vor Ort in der Bringschuld standen.

Dominik Rigoll (Potsdam)
Die verdrängte Linke. Zur Segregation von Nazigegnern aus Staat und Geschichte der Bundesrepublik

Nach Gründung der Bundesrepublik wurden linke Nazigegner, die 1945/46 auf Schlüsselpositionen gelangt waren, in der Regel wieder verdrängt. Betroffen waren Kommunisten und Linkssozialisten beiderlei Geschlechts, aber auch Pazifisten und Personen vom linken Flügel der bürgerlichen Parteien. Anhand von Fallbeispielen zeichnet der Vortrag die zweifache Verdrängung dieser Linken nach – zuerst aus dem Staatsapparat, danach aus den zeithistorischen Überblicksdarstellungen. Und er zeigt, was die Historiografie durch eine Reintegration dieser linken Perspektiven gewinnen kann.

Julia Noah Munier (Stuttgart)
Anders als die Andern? Homo- und bisexuelle Männer in Baden-Württemberg in den 1950er und 1960er Jahre

Auf der Grundlage des nach 1945 weiterbestehenden, in das bundesrepublikanische Strafgesetzbuch übernommenen NS-verschärften § 175 StGB wurden auch in der jungen Bundesrepublik homosexuelle Männer verfolgt. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte 1957 sogar den „Homosexuellenparagrafen“. Der Untersuchungsraum des heutigen Baden-Württembergs fungiert in diesem Beitrag als Pars pro Toto eines weiteren Zusammenhangs der Verfolgung homo- und bisexueller Männer in der Bundesrepublik. Es gilt im Blick auf die zugrunde liegenden Entwicklungen und Narrative sowohl Tradierungen als auch das spezifisch Neue der staatlichen Repression unter demokratischem Vorzeichen in den Fokus zu nehmen.

Maria Alexopoulou (Berlin)
Alte und neue Andere der Deutschen in der Passagezeit

Der Vortrag will am lebensweltlichen, behördlichen, politischen und rechtlichen Umgang mit „Migrationsanderen“ in der direkten Nachkriegszeit und in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik – auch eingedenk der vorherigen Beiträge – die Frage aufwerfen, ob die Konzeption der ‚Passagezeit‘ geeignet ist, um die „gescheiterten Neuanfänge“ und damit Kontinuitäten zwischen der BRD und dem gesamten Davor erschöpfender als bisher zu erfassen. Die Passagezeit ist dabei als eine Phase zu verstehen, in der verschiedene Formen, Wissensbestände und Praktiken des Othering an das neue politische System und die sich zur Demokratie entwickelnde Gesellschaft adaptierten, sie damit imprägnierten und auf diese Weise fortbestanden.

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