Silvia Berger Ziauddin Jan Hansen (Sektionsleitung)

Above and Below: Spaces, Infrastructure and the Social Order of the Modern Age

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Abstract

The panel discusses the role of infrastructure in the design of socio-spatial order in the 19th and 20th centuries. Both above ground and underground infrastructures, including mobility, logistics, energy, and material supply and disposal, enabled the functioning of the globalized world economy and private households. They were also inseparably linked to processes of self-understanding of societies. Examples include the inclusion and exclusion of certain population groups in the construction of drinking water networks, the storage of power relations in colonial infrastructures, and the negotiation of social categories of difference in the use and maintenance of urban lighting infrastructures and traffic education and pedagogy. In the 19th and 20th centuries, infrastructures provided a field of experimentation in which competing groups determined norms of their coexistence. While the relationship between infrastructures and social orders has been studied, we still know little about the spatial dimension of these processes. Such a shift in emphasis seems overdue, as modern societies also used infrastructures to determine and spatialize key differences in Western thought, such as the relationship between top and bottom. Inspired by current debates on the space and spatiality of infrastructures and drawing on recent insights from (colonial) urban, environmental, and technological history, the panel asks what we see better or more accurately when we examine infrastructures in their heights, widths, and depths and what implications this perspective has for the study of social ordering processes. In doing so, the panelists also discuss the implications of this shift in perspective for the history of infrastructure planning, control, use, and maintenance. Overall, the panel brings together current research in this field and contributes to its further development.

Silvia Berger Ziauddin (Bern)
Moderation
Jan Hansen (Berlin)
Die durstige Stadt. Soziales Handeln, Infrastruktur und Raum in Los Angeles (1850–1900)

Wie veränderte sich soziales Handeln durch die Einführung neuer Infrastrukturen und wie beeinflusste dieser Prozess die Transformation gesellschaftlicher Leitvorstellungen im 19. Jahrhundert? Der Vortrag untersucht die Geschichte der Nutzung von Wasserinfrastrukturen in Los Angeles zwischen 1850 und 1900. Konkret fragt er nach dem Verhältnis von infrastrukturellem Alltag und Prozessen des Ein- und Ausschlusses mit einem Schwerpunkt auf der Räumlichkeit von parallel existierenden offenen Wassergräben (den Zanjas) und unterirdischen Wasserleitungen. Im Mittelpunkt stehen Verteilungskämpfte um die knappe Ressource Wasser sowie Debatten darum, wem wieviel Wasser zustand und was unter „normalem“ Konsum zu verstehen war.

Birte Förster (Bielefeld)
Betonierte Fakten? Koloniale Verräumlichungsprozesse und Wasserinfrastrukturen in Französisch Kamerun

Als der Staudamm von Édéa 1953 im UN-Mandatsgebiet Französisch Kamerun eingeweiht wurde, war der Löwenanteil der dort erzeugten Energie bereits verplant. Die französischen Aluminiumunternehmen Péchiney und Ugine hatten sich Strom und weiteren Ausbau des Kraftwerks zu einem Spottpreis gesichert. Im Rückgriff auf aktuelle Debatten zu Verräumlichungsprozessen von Infrastrukturen interessiert sich der Vortrag dafür, wie denn die räumlich-soziale Ordnung beschaffen war, die Staudamm, die dazu gehörigen Transportinfrastrukturen sowie die Nutzung der Wasserenergie zur Verhüttung von aus Frankreich angelandeten Bauxits konstituierten. Da die in Édéa erzeugte Wasserenergie so zur extrahierten Ressource wurde, ist der Staudamm zudem ein Beispiel des in der Politikwissenschaft intensiv diskutierten Themas energy colonialism.

Simone M. Müller (Augsburg)
Die Straße und ‚das Böse‘ aus dem Untergrund - eine historische Betrachtung der Vertikale

Die Straßen als solche erlangte bislang wenig historische Bedeutung. Sie ist Teil technikhistorischer Betrachtungen einer Infrastruktur, auf der etwas geschieht, wie etwa der moderne Automobilismus. Selten geht es um das darunter. Gleichzeitig ist die Straße das wesentliche Ordnungselement moderner Gesellschaften um die Beziehung von politischen, sozialen und ökologischen Prozessen über und unter der Erdoberfläche zu bestimmen und lenken, sei es der Sturzregen oder die Rattenplage, überbaute Bäche als Plattform für Schnellstraßen oder sozial in den Untergrund verbannte, wie Obdachlose oder Kleinkriminelle. Ausgehend von der Straße als semi-permeable Membran zwischen Oben und Unten in den Städten der Industriemoderne, nähert sich dieser Beitrag auch einer historischen Betrachtung der Vertikale.

Kai Nowak (Halle/Leipzig)
Der demokratische Staatsbürger hinterm Steuer. Verkehrserziehung in der Bundesrepublik Deutschland 1950–1975

Anhand des Wandels der Verkehrserziehung in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1950 und 1975 untersucht der Vortrag, wie sich die am Straßenverkehr als einem emblematischen Infrastruktursystem der Moderne verhandelten sozialen Ordnungsvorstellungen in der Herausbildung spezifischer Nutzungsweisen und Versuchen der Verhaltensnormierung niederschlugen. Vor dem Hintergrund rasant steigender Unfallzahlen und in expliziter Abgrenzung zum NS-Regime konzipierte die Verkehrserziehung in der jungen Bundesrepublik der Massenmotorisierung die Straße als Ort demokratischer Bewährung. Sie entwarf die Figur des demokratischen Staatsbürgers, der sich aus eigener Einsicht und freien Stücken den Verkehrsregeln unterordnete und aufmerksam gegenüber den Mitbürgern verhielt. Wegen Zweifeln an der Wirksamkeit des Ansatzes verabschiedete die Verkehrserziehung ab Mitte der 1960er Jahre das staatsbürgerschaftliche Ethos jedoch allmählich aus ihrem Programm und arbeitete fortan mit einer Rhetorik des Zwischenmenschlichen. Aus der Verantwortung in einer Gemeinschaft von Demokraten wurde die Verantwortung gegenüber „Partnern“. Diese Entwicklung schlug sich unter anderem in einem räumlichen Perspektivwechsel in der Darstellung von Verkehrssituationen nieder, der den zugrundeliegenden Vorstellungen sozialer Ordnung entsprach und zugleich sinnbildlich die gesellschaftlichen Liberalisierungs- und Individualisierungstendenzen in der Bundesrepublik zum Ausdruck brachte.

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