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Der Berichtsband erscheint voraussichtlich im Sommer 2009. Wir werden Sie an dieser Stelle weiterhin informieren. |
Aguna. Strategien gegen die Benachteiligung der jüdischen Frau im Eherecht
Referent/in: Martha Keil, St. Pölten
Im jüdischen Eherecht besteht eine prinzipielle Ungleichheit: Ein Mann kann in bestimmten Ausnahmefällen und mit rabbinischer Erlaubnis eine zweite Frau heiraten, eine Frau ist jedoch ausnahmslos zur Monogamie verpflichtet. Sie bleibt daher als „Aguna“ (hebr.: die Verankerte) lebenslang an ihren vermissten Ehemann gebunden und kann erst eine zweite Ehe eingehen, wenn ihr Mann aufgrund glaubwürdiger Zeugenaussagen für tot erklärt wurde. Da dies in vielen Fällen schwierig bis unmöglich war, verblieben diese Frauen ihr Leben lang in einem rechtlich, sozial und oft auch materiell prekären Status.
Sowohl die Betroffenen selbst als auch die Rabbiner bemühten sich deshalb insbesondere in Zeiten von Kriegen und Verfolgungen um kreative Lösungen, um Frauen ein solches Schicksal zu erleichtern bzw. durch Rechtskonstruktionen von Vornherein zu verhindern. Diese Strategien sollen anhand einiger Rechtsgutachten aus dem Dreißigjährigen Krieg illustriert werden. Der Rabbiner Menachem Mendel Krochmal von Nikolsburg/Mikulov zwang beispielsweise auf Ersuchen der Frau einen jungen Ehemann, ihr vor seinem Einsatz als Armeelieferant einen Scheidebrief auszustellen. Allerdings musste das Dokument die gegenseitige Verpflichtung enthalten, einander wieder zu heiraten, falls der Mann innerhalb von vier Jahren ab Ausstellung zurückkehren würde. Im konkreten Fall geschah dies nicht, und die junge mutmaßliche Witwe ging nach Ablauf der Frist eine weitere Ehe ein.
Der Status der Frau wurde und wird immer noch in diesen Fällen aus unterschiedlicher männlicher Interessenslage verhandelt, wobei oft die Rabbiner in Befolgung der bereits im Talmud geforderten Erleichterung in Aguna-Fällen innovativer und progressiver agieren als die betroffenen Ehemänner.