Die Abstracts der Sektionen wurden aktualisiert

Berichte und Bilder finden Sie in unserem Blog

Der Berichtsband erscheint voraussichtlich im Sommer 2009. Wir werden Sie an dieser Stelle weiterhin informieren.
header600_200_programm.jpg

Vortragstitel:
Archive – Agenten der Erinnerung
Tag:
02.10.2008
Epoche:
Geschichtsdidaktik
Sektion:
Historische Erinnerung im Zeitalter des Internet – Ungleichheiten als Methodenproblem

Abstract:

Archive – Agenten der Erinnerung

Referent/in: Clemens Rehm, Stuttgart

In Zeiten der medial vermittelten Geschichte, in denen die kollektive Erinnerung durch Fernsehsendungen und über Internetpräsentationen massiv geprägt wird, scheint die Funktion der Archive als klassische Gedächtnisinstitution fast überflüssig zu werden.
Erst bei offenkundiger Vernichtung oder Verlust von Unterlagen und Daten wird breiteren Kreisen der Bevölkerung das Problem der langfristigen Informationssicherung bewusst.

I. Quellen im medialen Zeitalter

Angesichts dieser Situation wird der schwankende Boden der ubiquitär und formal vielfältig angebotenen „Quellen“ erst dann zur verlässlichen Basis der Geschichtsschreibung und der Geschichtsvermittlung, wenn

  1. beim Umgang mit Quellen das Kriterium des Authentikums als Ausgangspunkt von Forschung und historischer Bildungsarbeit betont wird und
  2. der Kontext einer Quelle als wesentlich für die Einordnung und Wertung der Information präsentiert und erkannt werden kann.

Bei den medial vorliegenden Angeboten ist daher zwischen vagabundierenden Quellen ohne Kontext – gleichsam „Hehlerware“ am (Bildungs-)Markt – sowie mundgerecht aufbereiteten und dabei veränderten „Fast-Food-Quellen“ einerseits und belastbaren archivischen Quellen andererseits zu unterscheiden. Den Archiven bleibt daher auch künftig eine wesentliche „Agenten“-Rolle der Erinnerungskultur; diese Aufgabe wird mit Blick auf die genannten medialen Parallelangebote wohl stärker um die „Schiedsrichter“-Rolle ergänzt werden.

II. Quellen im Archiv

In Archiven, die öffentliche Glaubwürdigkeit beanspruchen dürfen, können Nutzer am „Original“ gleichzeitig durch das Material haptisch historische Distanz und durch den Inhalt einen lebensweltlichen Bezug erfahren. Damit ist über das Authentikum der unmittelbare Einstieg in die Auseinandersetzung mit Geschichte und eigener Erfahrung eröffnet – ein Prozess, der zur Identitätsbildung beiträgt.
Die Entscheidungen über die Archivwürdigkeit von Unterlagen treffen bislang die Archivarinnen und Archivare unbemerkt von den Gruppen, die diese Unterlagen später benötigen. Archivarinnen und Archivare steuern damit wie unsichtbare Agenten der Zukunft, was überhaupt erinnert werden kann.
Erinnerung ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, in die sich auch die Geschichtswissenschaft mit ihren Vorstellungen und Fragestellungen einbringen muss. Die besten Authentika helfen nicht, wenn für diese Interessen zentrale Informationen nicht überliefert wurden. Hier wird ein intensiverer Austausch zwischen Archiven und Geschichtswissenschaft (Forschung und Bildung) notwendig.