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Der Berichtsband erscheint voraussichtlich im Sommer 2009. Wir werden Sie an dieser Stelle weiterhin informieren.
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Vortragstitel:
MARKT MACHT MEINUNG. Zur Nationalisierung des Wissens in enzyklopädischen Lexika Europas
Tag:
03.10.2008
Epoche:
Frühe Neuzeit
Sektion:
„Neuständische Gesellschaft“ - Europäische Gesellschaft im globalen Kontext (1750-1830/40)

Abstract:

MARKT MACHT MEINUNG. Zur Nationalisierung des Wissens in enzyklopädischen Lexika Europas

Referent/in: Ina Ulrike Paul, Berlin

Während der Formierungsphase der modernen Wissenschaften in Europa wurden von Frankreich (1674) bis Russland (1793), von Italien (1701) bis Schweden und Po-len (1781) enzyklopädische Universallexika in den Landessprachen publiziert. Als moderne Medien der Wissenssicherung und -ordnung sowohl für die Neukar-tographierung als auch für die Vermittlung europäischen Weltwissens zuständig, lie-ßen sich mit Enzyklopädien auf den boomenden Buchmärkten Europas „glänzende Geschäfte" (R. Darnton) machen - sei es durch eigene Projekte, sei es durch Nach-druck, Neubearbeitung oder Übersetzung. Dabei unterstützten Verleger, Buchhänd-ler und Autoren zwar die Standes- und Landesgrenzen überschreitende Popularisie-rung von Wissen und Forschung, doch zielten sie als Unternehmer auf einen eige-nen, konkurrenzlosen Markt - und damit auf ein seine Alltagssprache vorziehendes Lesepublikum, das sich über die Gelehrten der respublica litteraria hinaus in der ex-ponentiell zunehmenden Menge Gebildeter fand. Deren Interesse am eigenen Land und ihre Neugierde auf „fremde" Länder und Kontinente antizipierend, wurden Aus-stattung und Inhalte der landessprachlichen Enzyklopädien bewusst für den inten-dierten Konsumentenkreis adaptiert. Indem Titelseiten, Vorworte und einschlägige Lemmata das zu Stereotypen verdichtete Wissen über das „Eigene" und die „Ande-ren" vermittelten, gerieten Enzyklopädien zu nationalen Prestigeprojekten der jeweili-gen Wissenskultur („national styles in science", J. Henry) und zu Medien ‚nationaler' Selbstdarstellung. Die Entstehungszusammenhänge der enzyklopädischen Unter-nehmen dagegen waren transnational, die „route des encyclopédies" (J. Proust) führ-te über Ländergrenzen und Kontinente. - Der Vortrag fragt also im Blick auf die Pro-duzenten und Rezipienten von Enzyklopädien ebenso wie auf die europa- und welt-weite Verflechtung der Buchmärkte nach der Existenz einer „neuständischen Gesell-schaft in globalem Kontext", die der die Kontinuitäten zwischen 18. und 19. Jahrhun-dert betonende Forschungsansatz für die Zeit zwischen 1750 und 1830 unter dem Rubrum „Wissen" liefert.