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Der Berichtsband erscheint voraussichtlich im Sommer 2009. Wir werden Sie an dieser Stelle weiterhin informieren.
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Vortragstitel:
Rezeptionsgeschichte und Genesis der Opferzahlen
Tag:
01.10.2008
Epoche:
Zeitgeschichte
Sektion:
Dresden und die unbekannten Toten

Abstract:

Rezeptionsgeschichte und Genesis der Opferzahlen

Referent/in: Thomas Widera, Dresden

Die Debatte um die Opfer der Bombardierung Dresdens wird bis heute von politischer Propaganda überlagert, bereits die Zerstörungsgewalt der Bomben gilt als einmalig. Obwohl die Verwüstung der Stadt den entscheidenden Einschnitt in der Erlebniswelt der Zeitzeugen markiert, gestalteten aber weniger die unmittelbaren Erfahrungen die kollektive Erinnerung, sondern vielschichtige und gegenläufige Auffassungen und Ansichten. Nach der Zerstörung beschrieb das nationalsozialistische Propagandaministerium Dresden als friedliche Kunst- und Kulturstadt von Weltrang ohne jegliche kriegswirtschaftliche Bedeutung. Die Darstellung des Opfertods unschuldiger Zivilisten fand Anklang, verwandelte sich in eine Anklage und schien zudem geeignet, die Bevölkerung weiter in die Verteidigungsanstrengungen einzubinden.
Die Nachrichten fanden große Verbreitung. Während sich deutsche Zeitungen mit konkreten Zahlen zurückhielten, äußerte die Presse des neutralen Auslands sehr rasch, bei dem Angriff seien 70 000 bzw. 100 000, bald sogar 200 000 Menschen getötet worden. Die Angaben kamen von den Berliner Korrespondenten der Auslandspresse, die zwar besondere Glaubwürdigkeit für sich reklamierten, aber dem Propagandaministerium nahe standen. Keiner von ihnen war zu der Zeit in Dresden gewesen.
Die erste amtliche Meldung vom 15. März 1945 zählte 18 375 Tote. Vom Stand der Bergung ausgehend wurde damals mit etwa 25 000 Todesopfern gerechnet, eine wenig später vom Befehlshaber der Dresdner Ordnungspolizei bestätigte Zahl. Vergleichbare Angaben verzeichneten im Sommer 1945 - zu diesem Zeitpunkt waren die wichtigsten Bergungsarbeiten zum Abschluss gebracht worden - die Beerdigungslisten der Friedhöfe. In diesem Rahmen bewegt sich seit über 60 Jahren die Diskussion.