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Der Berichtsband erscheint voraussichtlich im Sommer 2009. Wir werden Sie an dieser Stelle weiterhin informieren.
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Vortragstitel:
In Europa ankommen: Das Theresianische Österreich, das ausgeliehene Kaisertum und die Signaturen...
Tag:
01.10.2008
Epoche:
Frühe Neuzeit
Sektion:
Brauchen wir eine neue deutsche Meistererzählung? Perspektiven aus der Frühen Neuzeit

Abstract:

In Europa ankommen: Das Theresianische Österreich, das ausgeliehene Kaisertum und die Signaturen der Macht

Referent/in: Regina Dauser, Augsburg

Ein zunehmender Rückzug des Erzhauses aus dem Reich, mangelndes Verantwortungsge-fühl in der Reichspolitik - so wird die Zeit der Herrschaft Maria Theresias (1740-1780) viel-fach apostrophiert. Die personelle Trennung von erbländischer Herrschaft und Kaiseramt nach dem Tod Karls VI. erscheint in diesem Kontext als augenfälliger Ausdruck einer Inter-essensverlagerung und Aufgabenteilung: Einem lothringisch-habsburgischen Kaisertum wird ab Franz I. Stephan seit 1745 eine meist wenig günstig beurteilte Reichspolitik, Maria There-sia dagegen als Erbin der habsburgischen Lande eine energisch verfolgte Wahrung des Großmachtstatus eines aus dem Reich „herauswachsenden" österreichischen „Staates" zu-gewiesen.
Gerade das Kaisertum als die nicht zu überbietende, prestigeträchtigste Würde auf der euro-päischen Bühne barg jedoch offensichtlich ein zu bedeutsames Potential, als daß sie exklu-siv Franz I. Stephan bzw. Joseph II. überlassen bleiben sollte. Wiewohl 1745 eine Krönung der Kaiserin zu Frankfurt ausblieb, war die Selbstbezeichnung Maria Theresias fortan eine kaiserliche. Insbesondere auf europäischem Parkett galt es, der kaiserlichen Titulatur Maria Theresias, die für die Herrscherin selbstredend keinen rechtlichen Kompetenzgewinn bedeu-tete, in zwischenstaatlichen Verträgen zur Anerkennung zu verhelfen und idealiter ‚ausgelie-hene' kaiserliche Prärogative in Diplomatie bzw. Vertragsrecht auf die Herrscherin zu über-tragen. Kontinuitäten der habsburgischen Rolle in Europa sollten aktiv akzentuiert und ur-kundlich dokumentiert werden.
Dieser Konzeption korrespondierte auf Reichsebene der Entwurf einer erneuerten Kaiserpoli-tik. Das Konzept einer „Doppelspitze", das auf das Erzhaus als Reichsstand besonderer Qualität verwies, zielte auf eine gemeinschaftliche Demonstration der Reichsbezogenheit von Kaiser und Kaiserin. Eine umfassende Aufarbeitung der habsburgischen Reichspolitik ab 1740 ist nach wie vor ein Desiderat, weshalb hier nur erste Überlegungen angestellt werden konnten. Beispiele zum konzertierten Vorgehen in Religionsprozessen des Reichshofrats in den 1750er Jahren zeigen allerdings das Bestreben nach einem konzertierten, die kaiserli-che Autorität stützenden Vorgehen. Habsburgische Politik sollte weiterhin als kaiserliche Politik präsentiert werden. Der Versuch, die Verklammerung von Erzhaus und Reich fortzu-schreiben, legt nahe, daß ein klares Entweder - Oder von Großmachtpolitik und Reichspoli-tik nicht intendiert war. Bevor zum Ende des 18. Jahrhunderts hin Initiativen forcierter Macht-politik die Oberhand gewannen, knüpften bezeichnenderweise Berater Josephs II. um 1780 noch einmal an ‚vertrauensbildende Maßnahmen' an - allerdings auch ein Eingeständnis, daß die Zielsetzungen der Doppelspitzen-Politik unter den Vorzeichen des preußisch-österreichischen Dualismus nicht aufgegangen waren.