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Der Berichtsband erscheint voraussichtlich im Sommer 2009. Wir werden Sie an dieser Stelle weiterhin informieren.
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Vortragstitel:
Mesogeschichte. Modellerzählung zwischen Region und Reich
Tag:
01.10.2008
Epoche:
Frühe Neuzeit
Sektion:
Brauchen wir eine neue deutsche Meistererzählung? Perspektiven aus der Frühen Neuzeit

Abstract:

Mesogeschichte. Modellerzählung zwischen Region und Reich

Referent/in: Dietmar Schiersner, Weingarten

Die Erforschung von Regionen des Alten Reiches hat - auf der Grundlage eines geschärften konzeptionellen Verständisses der Kategorie „Region" - in den vergangenen Jahren eine Fülle neuer Erkenntnisse erbracht. Insbesondere die Untersuchung „offener" Territorien im deutschen Südwesten zeigt dabei, wie Räume, denen nicht selten ein starker verfassungs-mäßig-politischer Kitt fehlt, gleichwohl kohärieren und wie sehr sie sich darüber hinaus of-fenbar gerade aufgrund ihrer defizienten Territorialität wirtschaftlich und kulturell weiterentwi-ckeln.
Solche Zusammenhänge von Kommunikationsdichte und Kohärenz bzw. Institutionenkonkur-renz und Modernisierungspotential, die an regionalen Beispielen - darunter der mittlerweile gut erforschten Markgrafschaft Burgau in Ostschwaben - aufgezeigt werden können, bieten auch für das „Funktionieren" des Reiches insgesamt einen Erklärungsansatz. Insofern stellt „Mesogeschichte" gewissermaßen eine parabolische Variante der Meistererzählung dar, die darin münden kann, das Reich selbst geradezu „regionalistisch" zu beschreiben als einen Raum, dem unterschiedlich „harte" Faktoren auch politisch-staatliche Kohärenz verliehen und dessen - zumindest zeitweiser - Standortvorteil in seiner Kleinkammerung lagen.
Zugleich überwindet der regionale Fokus die Staatsfixierung und hebt je nach Blickwinkel andere Faktoren regionaler - eben auch überstaatlicher - Verknüpfung ins Bewußtsein. In dieser vom Raum ausgehenden Perspektivität liegt die Anschlußfähigkeit der Mesogeschich-te an eine europäische Dimension von Geschichte begründet. Wenn auch darüber hinaus die frühneuzeitlich-polyterritorialen Charakteristika des Reiches insgesamt auf ein tieferes Verständnis stoßen und eine ausgewogenere Bewertung finden, bleibt doch zu diskutieren, ob damit zugleich eine subsidär-föderale Traditionslinie zur modernen Bundesrepublik gezo-gen werden kann. In diesem Fall freilich transportierte Mesogeschichte eine gesellschaftlich akzeptierte und chancenreiche ideologische Botschaft, die Denk- und Handlungsperspekti-ven eröffnet, und in diesem Fall bietet sich Mesogeschichte als Beitrag zu einer „neuen deut-schen Meistererzählung" an.