Archive for the 'Sektion' Category

Geschichte für die Ohren

Sektion

Die Referenten. Bild: bp

Den Besuchern der Sektion “Religiöse Egalität und soziale Distinktion in sakralen Räumen des Spätmittelalters” bot sich, anders als der Titel anmutet, eine Vielfalt an verschiedenen medialen Darbietungsformen zur Thematik der Sakralhierarchie in Kirchenräumen.

Engagiert moderiert wurde das Programm durch Andreas Ranft, der zwischen den Referaten auch die Diskussionsrunden koordinierte und kommentierte. Theoretisch eingeleitet von Thomas Lentes, ging Arnd Reitemeier anschließend direkt auf das Fallbeispiel St. Martin in Biberach  ein und zeigte daran detailliert und eindrucksvoll die in mittelalterlichen Kirchen bestehende Distinktion zwischen dem privilegierten Sonderstatus der Oberschicht und Kleriker gegenüber dem einfachen Volk anhand der Kleidung, Grablege oder der Sitzreihe im Kirchenraum.

Wolfgang Hirschmann sang eine französische Messe, spielte spätmittelalterliche Choralgesänge via Rekorder vor und unterstrich in seinem Vortrag die Verbundenheit zwischen exklusiv gesungenen Messen und ihren gut betuchten Stiftern. Auch die von Antje Heling-Grewolls gezeigten Bilder norddeutscher Privatkapellen und Altarbilder waren beispielhaft für die verschiedenen Repräsentationsformen der Selbstdarstellung und die daraus resultiernede Abgrenzung nach außen.

Zusammengefasst wurde die Sektion durch Matthias Meinhardt, der nochmals die irdische Macht in sakralen Räumen, aber auch ihre Grenzen darin zum Ausdruck brachte. Sakralität und Profanität seien eben in Kirchen unabdingbar miteinander verwoben gewesen.  Alles in Allem eine gelungene Sektion, in der, nicht zueletzt wegen der vielen prominenten Historiker im Publikum, diskutiert , gefragt und der Musik gelauscht wurde.

Sektion-Hopping

Markus Bitterlich. Foto: bp

Frisch von der Uni mit dem altehrwürdigen Magister Artium ausgestattet, konnte es sich Markus Bitterlich natürlich nicht nehmen lassen beim Historikertag dabei zu sein. Und schon gleich gar nicht, wenn der mal fast vor der Haustür stattfindet.

Getreu der Devise “alles ist nichts”, versucht er soviel wie nur möglich von den Sektionen mitzunehmen, also ist Sektion-Hopping angesagt. Sicherlich bei den Referierenden nicht sehr beliebt, aber durchaus effektiv.

So ist er von der Sektion “Asymmetrien in Vergangenheit und Gegenwart. Deutsche und Tschechen als ungleiche Nachbarn?” zu “Ungleichheiten oder Gleichheiten? Transkulturelle Vergleiche zwischen Ost und West” gesprungen.

Nach so üppiger morgendlicher Wissensaufnahme bedarf es nachmittäglicher Bewegung im Japanischen Palais. Leider suchte nur ein weiterer Gast, ein Maschinenbaustudent, den Weg zur Sonderausstellung “900 Gramm Gehacktes - Oberlausitzer Silberschätze”. Es gab also eine private Führung. Mal was anders, gibt Markus schmunzelnd zu.

Trotz Themenvielfalt ein verblüffend einhelliges Ergebnis

Im Zusammenleben der Tschechen und Deutschen ausschließlich Asymmetrien zu suchen wäre eine zu einseitige Betrachtung ihrer vielschichtigen Beziehungen - darüber waren sich alle Referenten am Ende der Sektion von Dr. Martina Schattkowsky am ersten Kongresstag einig. Schattkowsky sprach von einem Abschluss, der “optimistischer kaum sein könnte”. Auch der Wunsch nach einer nüchterneren Forschung, frei von der Umklammerung historischer Aufarbeitung, wurde einhellig geäußert.

Die in Bezug auf den Zeithorizont und auf das Spektrum der Themen sehr vielseitige Sektion hat somit eine Bündelung konkreter Ergebnisse erreicht.

„Justitia war nie blind“

Mit einem weiten Bogen, gespannt über gut 600 Jahre Justizgeschichte, wurden die Referenten der Sektion „Ungleichheiten vor Gericht: Epochenübergreifende Perspektiven“ ihrem Titel wahrlich gerecht. Zunächst ging Prof. Joachim Eibach auf die Allegorie der Justitia ein, die allseits bekannte Darstellung der Gerechtigkeit als Schwert und Waage in den Händen haltende Frau, der die Augen verbunden sind. Damit solle ausgedrückt werden, dass die Gerechtigkeit ihre Urteile stets ohne Ansehen der Person fälle, wie es schon im Alten Testament gefordert war. Die Geschichte der Justiz sei stets eine Geschichte der Suche nach Gerechtigkeit und gleichzeitig eine Geschichte der Ungleichheit gewesen.

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Landesgeschichte im Unterricht - Geschichtsunterricht in der Region

Ein konkretes Problem sieht Prof. Dr. Manfred Treml in der Rezeption tschechischer Forschungsliteratur von deutscher Seite, dessen Durchführung eine Seltenheit ist, da die wenigsten deutschen Historiker (man kann auch sagen: die wenigsten Deutschen) die tschechische Sprache beherrschen. Eine institutionelle Festigung der bohemistischen Forschung sei aber zu verzeichnen, u.a. mit dem Collegium Carolinum als wichtigstem Partner für die böhmische Forschung.

Treml äußerte sich als Vorsitzender des Gesamtvereins für Geschichts- und Altertumsvereine, der den heutigen 35. Tag der Landesgeschichte initiiert hat, über seine Hoffnungen, die von ihm geleitete Sektion würde auch eine pragmatische Dimension für die Landes- und Regionalgeschichte entfalten. Als geschichtsdidaktische Sektion wurden darin zum Teil Fragen der Neukonzipierung von landes- sowie regionalgeschichtlichen Themen in den Schullehrplänen besprochen.

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Die Gespielen der Infantin

Maaike van Rije, Foto: jk

Es wird viel gesprochen dieser Tage und viele Informationen werden verbal gestreut. Da sind PowerPointPräsentationen eine Abwechslung und Auflockerung. Doch richtig gut wird es, wenn ein Vortrag reich bebildert ist. So wie der von der Kunsthistorikerin Maaike van Rije, die sich dem Thema “Die Gespielen der Infantin. Darstellung von kleinwüchsigen Menschen in der bildenen Kunst” innerhalb der Sektion “dis/ability in history” widmete. Sie zeigte an ausgewählten Bildern, wie die Gesellschaft mit Kleinwüchsigen in der jeweiligen Zeit umgegangen ist. Wie selbstverständlich ihre Anwesendheit war und wie später deren Gegenwart als zufällig und belanglos dargestellt wurde.

Es war ein wirklich bewegender und bereichernder Vortrag, der nicht an Interpretationen und kritischen Betrachtungen sparte zu einem Thema, welches so selten besprochen wird.

Mittelalterliche Bauern im HSZ

Was versteht man unter Erbpacht? Was ist ein Fastnachtshuhn? Und wo findet man eine Gugel? Diese Fragen wurden unter anderem in dem ersten Schülervortrag “Grundherrschaft und bäuerliche Lebensbedingungen im Mittelalter” beantwortet. Die Darbietung von Arnd Reitemeier sollte den Schülern ab Klasse 10 ein Thema näher bringen, welches seiner Meinung nach in der Schule häufig vernachlässigt, beziehungsweise in der Oberstufe gar nicht mehr behandelt wird. Gleichzeitig kritisierte Reitemeier das meist veraltete Wissen in den Schulbüchern.

Arnd Reitemeier unter mittelalterlichen Bauern. Foto: ak

Kritik an seinem Vortrag selbst ist allerdings ganz und gar nicht anzumerken. Unterstützt wurden seine verständlichen Ausführungen von vier Studenten der Universität Kiel. Zwei von ihnen trugen dem Mittelalter entsprechende Kleidung und machten mit ihren kurzen Dialogen die Lebensverhältnisse der damaligen Zeit greifbar.

Leider nahmen nur sehr wenige Schulen das Angebot, am Schülervortrag teilzunehmen wahr - der Hörsaal 03 war nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Anders das “St.-Afra-Gymnasium” aus Dresdens Nachbarstadt Meißen, welches den Historikertag als Exkursionsmöglichkeit nutzt. Richard, ein Zehntklässler dieser Schuleinrichtung, verrät: “Ich habe mich der Exkursion aus Eigeninteresse angeschlossen. Mir gefällt das Fach Geschichte und ich werde es als Leistungskurs wählen. Vielleicht studiere ich später etwas in dieser Richtung. Der heutige Vortrag wird mir in positiver Erinnerung bleiben.” Bleibt zu hoffen, dass auch der morgige Schülervortrag (“Liegt Australien in Europa”, 2. Oktober 2008, 13.15–14.00 Uhr, HS 03) so erfreulich aufgenommen wird, dann vielleicht mit etwas mehr Beteiligung.

Weltverstehen vermitteln

Wer schon immermal einen Hörsaal voller nickender Geschichtslehrer sehen wollte, hatte heute vormittag die Gelegenheit dazu. Unter dem Motto “Kompetenzorientierung im Geschichtsunterricht” hatten sich für die Größe des Raumes viel zu viele Interessenten versammelt, um dem “schillernden, schwer zu fassenden Begriff Kompetenz” zu Leibe zu rücken. Man saß auf Fensterbänken und Treppen oder stand. Das Publikum, selbst Teil des Phänomens, wunderte sich, dass dieses doch eher spröde Thema so viele (andere) Neugierige anzieht.

Das erste Referat von Roland Wolf aus Tübingen drehte sich erwartungsgemäß darum, Kompetenz zu definieren, einzelne Bestandteile herauszufilten und Modelle zu finden. Herauskristallisiert hat sich der Begriff “Weltverstehen”, das dem Schüler vermittelt werden sollte. Nützlich darum, weil in Zeiten exponentiell wachsender Wissensmengen und zunehmender Spezialisierung kein verlässlicher Begriff von Allgemeinbildung mehr gefunden werden kann. Das Verstehen der Welt ermöglicht es dem Schüler, sich bei Bedarf aus vorhandenem Material - in der Historik eben die Quellen - selbstständig Wissen zu erarbeiten.

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Asymmetrien als Synonym für Ungleichheiten

Prof. Dr. Martina Schattkowsky und Dr. Uwe Tresp Foto: cm

Nur langsam füllte sich der Raum 101 des Hörsaalzentrums, in dem heute Vormittag die Sektion „Asymmetrien in Gegenwart und Vergangenheit – Deutsche und Tschechen als ungleiche Nachbarn?“ stattfand. Dabei waren Asymmetrien nur ein Synonym für Ungleichheiten. In den ersten beiden Vorträgen zu den möglichen und viel diskutierten Ursprüngen der kulturellen und letztlich auch sozialen Verschiedenheiten sprachen Dr. Uwe Tresp von der Uni Leipzig und Prof. Dr. Martina Schattkowsky, die Leiterin des Bereiches Geschichte am Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e. V.

Die Ausführungen der beiden Wissenschaftler besaßen jeweils verschiedene Ansätze. Während Dr. Tresp versuchte, anhand der dynastischen Verhältnisse die Rolle der Kurfürstentümer Sachsen und Böhmen zueinander näher zu beleuchten, bezog sich Frau Prof. Schattkowsky weitestgehend auf agrarpolitische Aspekte, die zu der Bildung von Ungleichheiten beitrugen.

Dass die noch heute bestehenden Unterschiede zwischen Deutschen und Tschechen auf die Geschichte der beiden Länder zurückzuführen ist, machten die Beiträge der Wissenschaftler deutlich.

“Die Irren sind immer die Anderen”

Im Rahmen der Sektion „Dis/ability in history – Behinderung in der Geschichte“ berichtete Cornelia Brink von den so genannten „Irrenreformen“ um 1900. Bei diesen Reformen traten hauptsächlich männliche Patienten von Heilanstalten an die Öffentlichkeit um zu beweisen, dass sie fälschlicherweise eingewiesen wurden. Sie versuchten, mit den „Irrenbroschüren“ ihre Normalität anhand von banalen Alltagsberichten zu beweisen. Doch was ist „normal“? Und ist zu viel Normalität nicht auch schon wieder unnormal, krankhaft? Brink erläuterte, dass die Patienten zwangsläufig in die Falle getappt waren, ihre krankhafte Normalität öffentlich zu bekennen. Sicherlich wurde nicht immer der gewünschte Effekt, nämlich „normal zu sein“ erreicht.

Auch in den 1970er Jahren gingen Patienten erneut an die Öffentlichkeit. Bekanntheit erlangten vor allem die von Ernst Klee geführten Gespräche mit Insassen der Frankfurter Nervenklinik. Drei Gespräche unter dem Motto „Kranke Seele“ wurden am 3. Dezember 1976 im Hörfunk ausgestrahlt. Hier beklagten die Patienten vor allem die mangelnde Therapiebetreuung. Ihre Forderung war, dass die Ärzte ihrem Versprechen nach Heilung nachkommen. Die Ärzte hingehen taten diese Forderung leichthin als Konsumstreben ab.

Diese Frankfurter Gespräche stießen auf breites Interesse in der Öffentlichkeit. Denn letztlich sagten die Patienten, die nie namentlich erwähnt wurden: „Ich bin krank, dass ist normal. Die gesellschaftlichen Anforderungen haben mich krank gemacht. Ich brauche Hilfe“.

Diese Erkenntnis eröffnete einen neuen Blickwinkel.

Brinks anschaulicher Vortrag macht deutlich, dass es sich nicht nur um ein interessantes Forschungsgebiet handelt, sondern auch, dass es nicht genug im Fokus der historischen Wissenschaften steht. Das Potential ist enorm, sich diesem Thema kultur- und sozialhistorisch anzunähren.

Eindrücke aus "dis/ability in history", Fotos: pd