Vom Gefühl “in between” zu sein

Zu  den geschichtsdidaktischen Veranstaltungen des VGD gehörte auch die Sektion “Folgen von ungleichen Bürgerrechten von Jugendlichen und ihren Eltern für Geschichtsunterricht und politische Bildung” von
Dr. Béatrice Ziegler aus der Schweiz.

Die Probleme einer multiethnischen Gesellschaft erforderten eine verstärkte Neuorientierung des Geschichtsunterrichts, bemerkte Ziegler in ihrer Einleitung. Die Anerkennung von multipler Diversität und das Verständnis der Egalität, würde Lernende, gleichsam einer Ressource, in ihrem Lernprozess unterstützen.

Gleich zu Anfang stellte Johannes Meyer-Hamme seine Schülerbefragung vor. Er hat sich in den Geschichtsunterricht einer Hamburger Klasse der Sekundarstufe II mit einem besonders hohen Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund begeben. Obwohl die Studie keineswegs repräsentativ ist, konnte Meyer-Hamme einige interessante Beobachtungen anstellen, die der Weiterentwicklung einer die historische Identität jedes Schülers beachtende Geschichtsdidaktik dienen sollen.
Historische Identität, wie sie Meyer-Hamme beschreibt, resultiert aus einer „historischen Selbstverortung“, die sich über die Sprache, die Religion und  die Herkunftsregion jedes Jugendlichen vollzieht. Meyer-Hamme  stellte zwei Tendenzen bei den Schülern fest: ein türkischer Schüler konnte sich erst, als es im Geschichtsunterricht um die Türken ging, für den Unterricht begeistern.
Ein bosnischer Schüler, der selbst als Flüchtling mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen ist, reflektierte das im Geschichtsunterricht aufgenommene Wissen und nahm den Begriff Nation als Konstrukt wahr. Er wünsche sich, im Gegensatz zum türkischen Schüler, keine Beschäftigung mit der Geschichte Bosniens im Unterricht.

Die Schüler müssten lernen mit Ungleichheiten der verschiedenen Kulturen umzugehen. Weniger Problematisches, aber dafür sehr Relevantes solle den Unterricht dominieren. Lehrer sollten sich vor allem auch davor hüten, an Migrantenkindern entsprechende Kulturalisierungen vorzunehmen (z.B.: „Wie war das denn bei euch?“).

Dr. Michele Barricelli sprach zum Thema „Eine Gesellschaft freier und ungleicher Bürger! Projekte zur Anerkennung von authentischer Verschiedenheit und menschenrechtlicher Gleichheit im Geschichtsunterricht.“ Barricelli referierte, ausgehend vom Begriff diversity aus den Cultural studies von „shared and divided memories“ und der Vielfalt vom Geschichtsbewusstsein. Der theoretische Anfang seines Vortrages wurde auch wieder von einer Projektvorstellung abgelöst.

Es sind18 Lehramtsstudierende, deren Eltern aus dem Ausland stammen interviewt worden. Dass Barricelli in Berlin nicht mehr ausfindig machen konnte, ist schwer vorstellbar, aber dem Drittel der Migrantenkinder in Berlin steht tatsächlich nur ein sehr geringer Prozentsatz an aus dem Ausland stammenden Lehrern gegenüber. Ein Punkt der von entscheidender Wichtigkeit bei der Verbesserung der Lernsituation multienthnischer Schulklassen sei.

Barricelli fragte die 18 angehenden Referendare z. B. welche Vorteile ein Lehrer mit Migrationshintergrund für entsprechende Klassen haben könne. Viele sahen es als besonders wichtig an, dass sie den Schülern etwas aus ihrer Kultur nahebringen könnten. Auch das Gefühl vieler Einwandererkinder „In-between“ zu sein, sich also weder in der alten noch in der neuen Kultur wirklich integriert zu fühlen, könnten solche Lehrer nachfühlen und dadurch überhaupt als wichtiges Thema anerkennen.

In den letzten beiden Vorträgen ging es dann auschließlich um die Vorstellung von Projekten.
Zum einen referierte Valentin Eck über das von der EU finanzierte Projekt TEESAEC, in dem der Wissensstand über die Europäische Union von Schülern aus verschiedenen EU-Ländern getestet werden soll.
Dominik Allenspach stellte zum Schluss die Evaluationsmethode eines Lerntools vor, das zur Verbesserung eher leistungsschwacher Schüler konzipiert wurde.

Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit, war es Béatrice Ziegler nicht möglich die Schlussfolgerungen vorzutragen und eine Abschlussdiskussion einzuleiten. Gerade bei dem brisanten Thema wäre dies sicherlich sehr spannend gewesen.
Wie ich finde, sind die tatsächlichen Folgen für den Geschichtsunterricht, wie im Titel der Sektion angekündigt, als Themenschwerpunkt nicht ausreichend hervorgetreten. Vielmehr standen Interviews und Studien im Vordergrund, so dass die eigentlichen Themen mehr oder weniger untergegangen sind.

1 Responses to “Vom Gefühl “in between” zu sein”


  1. No Comments
  1. 1 allenspach

Leave a Reply