Bleibt im vatikanischen Geheimarchiv vieles zu geheim?

“Dan Browns Illuminati zeigt ein so völlig falsches Bild vom vatikanischen Archiv“, so Michael Matheus, „dass man sich fragt, ob Brown den Unterschied zwischen einer Bibliothek und einem Archiv kennt“. Solche Romane verstärken die Mythen, die sich um das vatikanische Archiv ranken. Nur weil an der Eingangstür „secreta“ steht, denkt jeder, es handle sich um einen geheimen Ort. Doch „secreta“ bedeutet hier schlicht und ergreifend „privat“.

Mit diesen Worten ist Matheus ein guter Einstieg in diese Sektion gelungen. Eine Sektion, die auf die Bedeutung kritischer Aufarbeitung von Quellen hinweisen will. Denn ohne Editionen keine Geschichtswissenschaft.

Die vorgestellten Projekte, wie die DENQ-Software (Digitale Editionen Neuzeitlicher Quellen), zeigten, dass Grundlagenforschung durchaus sehr attraktiv und modern sein kann. Auch die Vorträge von Silvano Giordano über „Wahrnehmung und Wirklichkeit: Das Reich aus der Sicht Urbans VIII“ und Ludwig Schmugges „Ehen vor der römischen Pönitentiaire“ bestätigten die Bedeutung der Grundlagenforschung. Denn nur anhand von Quellen hat man erfahren, dass, aus Urbans Sicht, Deutschland ein Land voller Haretiker sei, in dem sich ständig neue Sekten bilden. Oder dass das kanonische Recht, die freiwillige Eheschließung für beide Geschlechter eher förderte und nicht wie allgemein angenommen verhinderte.

Hubert Wolf, Foto:pd

Den wohl interessantesten Vortrag hat Hubert Wolf aus Münster über „Das geheimste aller geheimen Archive“ gehalten. In gewisser Weise stellte er die Inquistition vor. Er zeigte, dass eben diese mehr war als Ketzer und Hexen auf den Scheiterhaufen zu verbrennen, es war ebenso die totale Kontrolle des Buchmarktes. Mit der Erfindung der beweglichen Letter von Gutenberg war für die Katholische Kirche das Buch das gefährlichste Medium, um andere Meinungen über die Kirche zu verbreiten. Es gibt kaum ein Buch was nicht angezeigt und untersucht wurde. Friedrich der Große, Thomas Hoppe, Huldreich Zwingli, ja sogar Adolph Freiherr Knigge und Karl May sind dabei. Bis Anfang der 90er Jahre war das Archiv das bestgehütetste Geheimnis des vatikanischen Archivs. Das internationale DFG-Projekt zu dem Thema “Römische Inquisition und Indexkongregation” wird ihre bisherigen Ergebnisse auf einer Tagung im Dezember vorstellen. Mit der Öffnung des Archives können nun alle Schritte eines Zensurverfahrens präzise nachgezeichtnet werden. So weiß man, dass im 19. Jahrhundert 2200 Bücher von der Indexkongregation verhandelt und 1600 davon verboten wurden. Auch ist die Anzahl der Mitarbeiter jetzt bekannt. Im 18. Jahrhundert waren es noch 1100, während es ein Jahrhundert später nur noch 900 waren. Grundsätzlich mussten Bücher denunziert werden, bevor sie untersucht wurden. Karl Marx oder Charles Darwin befinden sich nicht auf der Liste der untersuchten Bücher, da sie nie angezeigt wurden. Eine Zeitspanne von einem halben Jahr bis hin zu drei Jahre umfassend, könnte ein Buch verboten werden, wenn es die einzelnen Stufen durchlaufen hatte. Gutachter und Kardinalsitzungen mussten aufzeigen, warum ein Buch verboten werden sollte. Die letzte Instanz war aber immer der Papst. Wird ein Plakat mit Buchtiteln ausgegeben und an den Hauptkirchen in Rom angebracht, gilt ein Buch als verboten.

Bei der anschließenden Diskussionsrunde musste natürlich Hubert Wolf die meisten Fragen beantworten. Aber auch kritische Stimmen zum Stand der Grundlagenforschung wurden laut. So müsse diese verstärkt versuchen junge Wissenschaftler an sich zu binden. Matheus äußerte sich in so fern dazu, als dass das Deutsche Historische Institut (DHI) in Rom bereits mehrere Projekt diesbezüglich laufen habe. Der Einwurf, dass das Bachelor/Mastersystem die Forschung erschweren wird, wurde von Wolf wie folgt kommentiert: “Bachelor/Master sind und bleiben eine ausgemachte Schweinerei!”

1 Responses to “Bleibt im vatikanischen Geheimarchiv vieles zu geheim?”


  1. No Comments
  1. 1 historisches institut

Leave a Reply