Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Zwischen Rache und Schweigen. Zum Täterbild der Opfer

Referent/in: Mark Roseman

Abstract:
Die  Angst vor jüdischer Rache verbreitete sich in der deutschen Bevölkerung unmittelbar nach Kriegsende oft ohne Kenntnis der tatsächlichen jüdischer Wahrnehmungen und Vor­stellungen.  Dies überrascht nicht, wurden doch die „realen“ Juden vor den Gespenstern der NS-Ideologie kaum noch gesehen.  Was hingegen überrascht, ist die Tatsache, dass immer noch sehr selten danach gefragt wird, wie die jüdischen Opfer „ihre“ Täter während und nach dem Krieg wahrnahmen, und dass obwohl inzwischen zahlreiche Selbstzeugnisse von Opfern und Überlebenden vorliegen. Eine “integrierte” Geschichte des Holocaust wird zwar oft als Desideratum genannt, und die zweibändige Geschichte des Holocaust von Saul Friedländer als Beispiel dafür genommen, doch auch bei Meisterleistungen wie dem Friedländerschen Werk ist genau diese  doch zentrale Frage einer integrierten Geschichte fast komplett ausgespart worden.  In diesem Beitrag soll der Frage nachgegangen werden, wie jüdische Chroniken und Tagebücher zur Zeit der NS-Verfolgung die Täter verstanden und beurteilten.  Dabei wird speziell das auffallende Fehlen von Rache, ja sogar jeglichen Affekts in vielen zeitgenössischen Texten als Ausgangspunkt genommen, um zu erläutern, ob die Taten zu monströs und zu unbegreiflich waren, um überhaupt mit Wut und Ressentiment erfasst zu werden, oder ob es gerade die Funktion der Texte war, Beweismaterial für eine spätere Abrechnung zu sammeln - eine Funktion also,  die als Anlass genommen wurde, möglichst nüchtern und objektiv zu schreiben.

Kategorie: Neuere/Neueste Geschichte

Anzeigen