Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Quellen und Forschungsbedingungen zum Freikauf von politischen Gefangenen durch die Bundesrepublik Deutschland

Referent/in: Jan Philipp Wölbern

Abtract:
Der Beitrag befasst sich mit den praktischen Erfahrungen über die Nutzung von Verschlusssachen (VS) für ein Promotionsprojekt zur Geschichte des „Häftlingsfreikaufs“. Im Rahmen der „Besonderen Bemühungen im humanitären Bereich“ kaufte die Bundesregierung zwischen 1963 und 1989 rund 33.000 politische Häftlinge aus DDR-Gefängnissen frei. Einschließlich der Zahlungen für 215.000 „Familienzusammenführungen“, d. h. Ausreisegenehmigungen, summierten sich die Gegenleistungen auf über 3,4 Milliarden DM.

Der größte Teil der einschlägigen Überlieferung des Gesamt- bzw. Innerdeutschen Ministeriums, die seinerzeit auf Forderung der DDR als „Geheim“ eingestuft wurde, ist nach wie vor nicht zugänglich. Selbst im Archiv des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR gibt es nach wie vor thematisch relevante Akten mit VS-Einstufung, dies, obwohl es bei Themen der deutsch-deutschen Zeitgeschichte keine stichhaltigen Gründe mehr gegen vollständige Herabstufungen gibt. Eine zügige Aktenöffnung wird dadurch erschwert, dass die westliche Überlieferung Schriftwechsel mit deutschen und „befreundeten“ Nachrichtendiensten sowie personenbezogene Daten enthält, die nach § 5 Bundesarchivgesetz nur eingeschränkt nutzbar sind. Hinzu kommt die problematische Identität von Verfügungsberechtigtem und Entscheidungsbefugtem über die Herabstufung der VS. Da es sich bei dem Forschungsprojekt nicht um einen staatlichen Forschungsauftrag handelt, besteht seitens des Bundesministeriums des Innern kein vordringliches Interesse an umfassenden Aktenöffnungen.

Dabei bündeln die Themen „Häftlingsfreikauf“ und „Familienzusammenführung“ zentrale Aspekte der deutsch-deutschen Beziehungsgeschichte in nachgerade exemplarischer Form. Ein umfassender Zugang zu der Überlieferung der alten Bundesrepublik würde die wiederholt postulierte umfassende „Analyse innerdeutscher Transfers“ (Wentker) im Rahmen der „asymmetrisch verflochtenen Parallelgeschichte“ (Kleßmann) beider deutscher Staaten voranbringen.

 

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