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49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Phantasien über "jüdische Rache" in Nachkriegsdeutschland: Latentes Unrechtsbewusstsein oder eine weitere Variante von Antisemitismus?

Referent/in: Ulrike Weckel

Abstract:
In den letzten Jahren ist oft bemängelt worden, dass der Hauptkriegsverbrecherprozess den Mord an den europäischen Juden nicht als Zentralverbrechen herausgestellt habe. Dieser Vorwurf trifft auch die alliierten Dokumentarfilme über befreite Konzentrationslager, von denen ein amerikanischer und ein sowjetischer im Nürnberger Gerichtssaal gezeigt und einige weitere 1945/46 auch in Nachkriegsdeutschland zur Vorführung kamen. In den Filmkommentaren seien die Juden im Gegensatz zu diversen anderen Opfergruppen gar nicht oder nur beiläufig erwähnt worden, so lautet der Einwand. Die Beobachtung ist nicht ganz falsch, doch wurde bislang noch kaum gefragt, ob den Deutschen – den Nürnberger Angeklagten wie auch der Öffentlichkeit – in der unmittelbaren Nachkriegszeit der Judenmord nicht womöglich dermaßen präsent war, dass sie bei Erwähnungen der Opfer deren ethnische Zugehörigkeit ohnehin hinzudachten. Immerhin waren im Rahmen der NS-Angstpropaganda für den Fall einer deutschen Niederlage Szenarien jüdischer Rache ausgemalt worden, und nicht wenige Deutsche hatten die alliierten Luftangriffe auf zivile Wohngebiete als Strafe für die Judenvernichtung interpretiert.

Ausgehend von Wahrnehmungen einiger der Nürnberger Angeklagten und ihrer Verteidiger, der Prozess werde von Juden dominiert oder gesteuert, soll der Frage nachgegangen werden, was Angstphantasien über jüdische Rache enthüllen: das Bewusstsein, präzedenzlose Menschheitsverbrechen angerichtet zu haben, latente Schuldgefühle oder Fortsetzungen antisemitischer Verschwörungstheorien mit anderen Mitteln?

Kategorie: Neuere/Neueste Geschichte

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