Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Kriegsbrot, Sparmetalle und Papiertextilien - Ersatzstoffwirtschaft im Ersten Weltkrieg

Referent/in: Stefanie van de Kerkhof (Mannheim)

Abstract:
Ressourcenkonflikte können nicht nur als eine Ursache, sondern auch als ein zentrales Charakteristikum des Ersten Weltkriegs verstanden werden. Mit der Generalmobilmachung des Deutschen Reichs und der Wirtschaftblockade der Alliierten im Herbst 1914 wurden über 30 % aller Industriearbeiter eingezogen und beinahe 40 % aller Lebensmittel- und Rohstoffimporte entfielen. Der Aufkauf von Lebensmitteln für die Truppen führte zu Panikkäufen der Bevölkerung und ersten Versorgungsengpässen. Ein Mangel an kriegswichtigen industriellen Rohstoffen trat schon im Herbst 1914 v.a. bei Munition auf.

Waren schon vor dem Krieg Substitutionsgüter wie Margarine, Heizöl oder Aluminium entwickelt und industriell eingesetzt worden, so weitete sich die Ersatzstoffforschung und -produktion mit dem kriegsbedingten Rohstoffmangel massiv aus. Diese Entwicklung untersucht der Beitrag anhand dreier, kriegswichtiger Branchen: der Konsumgüterproduktion, der Schwer- und der Textilindustrie. Kriegsbrot, Sparmetalle und Papiertextilien stehen dabei stellvertretend für mehr als 10.000 während des Krieges entwickelte Ersatzprodukte.

Da eine gehaltvolle theoretische Erklärung der Wirtschaftswissenschaften für die Substitutionsfähigkeit einzelner Güter bislang nicht existiert, bietet es sich an, wirtschafts- und technikhistorisch zu analysieren, welche Eigenschaften, Nachfragemechanismen und Marktentwicklungen zur Substitution führten. Methodisch von zentraler Bedeutung ist, dass Ressourcenmobilisierung und Ersatzstoffentwicklung nur in enger Kooperation mit der Technik- und Wissenschaftsgeschichte erforscht werden können. Dabei ist zu fragen, inwiefern der Erste Weltkrieg als Akzelerator für Innovationen und wissenschaftlichen Fortschritt diente. Die neuere technikhistorische Forschung aufgreifend wird von einem komplexen Zusammenspiel wirtschaftlicher, staatlicher und wissenschaftlich-technischer Faktoren und Akteure in der Entwicklung von innovativen Ersatzstoffen zur Lösung von Ressourcenkonflikten im Ersten Weltkrieg ausgegangen, das intensiver analysiert werden soll.

Kategorie: Neuere/Neueste Geschichte

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