Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Kampf der Tatbestände: Die wissenschaftliche Debatte zum Zuständigkeitsbereich eines neu zu schaffenden internationalen Strafgerichtshofes 1919-1937

Referent/in: Daniel Marc Segesser

Abstract:
Nachdem die juristische Fachöffentlichkeit wie auch die Regierungen in den Jahren nach 1872 den Vorschlag des damaligen Präsidenten des IKRK, Gustave Moynier, für die Schaffung eines internationalen Strafgerichtshofes mehrheitlich abgelehnt hatten, wurde diese Idee erst ab 1919 wieder aufgegriffen. Die in der Genfer Konvention von 1906 festgehaltene Pflicht für die Vertragsstaaten zur strafrechtlichen Sanktionierung, hatte sich nämlich sowohl in den Balkankriegen von 1912/13 als auch im Ersten Weltkrieg als wenig effektiv erwiesen. Vielmehr wurden Verstöße gegen internationales Recht auf allen Seiten zum Objekt propagandistischer Anstrengungen.

Den direkten Hintergrund für die neu aufflammende Diskussion über einen internationalen Strafgerichtshof bildeten die Pariser Friedensverträge, welche Verantwortliche für Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen suchten, sowie die Verfahren von Leipzig und Konstantinopel vor deutschen bzw. türkischen Gerichten. Von Beginn weg waren Juristen verschiedener Staaten involviert, wobei der juristische Fachdiskurs immer in einer engen Wechselwirkung mit der politisch-justitiellen Entwicklung der Zwischenkriegszeit verwoben war, sei dies innerhalb des Völkerbundes, der International Law Association, der Interparlamentarischen Union oder der Association Internationale de Droit Pénal. Verschiedene Vorschläge wurden diskutiert und verschiedene Projekte verabschiedet. Im Zentrum stand dabei meist die Frage des Zuständigkeitsbereichs eines solchen Gerichtshofes. Je nach politisch-justitieller Großwetterlage standen dabei entweder Verstöße gegen das Ius in Bello (häufig schon da Kriegsverbrechen genannt), das Herbeiführen eines Krieges oder der internationale Terrorismus im Vordergrund. Letztlich war es der letztere Tatbestand, für welchen 1937 eine erste Konvention die Schaffung eines internationalen Strafgerichtshofes abgeschlossen wurde. Diese trat allerdings nie in Kraft und der Zweite Weltkrieg führte dazu, dass der Tatbestand des Terrorismus nach 1945 in den Hintergrund rückte. Zuerst dominierte der schon in der Zwischenkriegszeit diskutierte Tatbestand des Herbeiführens von Kriegen, später war es derjenige des Völkermords. Gerade weil viele in der Zwischenkriegszeit aufgegriffene Aspekte auch nach 1945 wirkmächtig blieben, ist die Diskussion der Zwischenkriegszeit und die Wechselwirkung der politisch-justitiellen Entwicklung und des juristischen Fachdiskurses von damals noch heute von großem Interesse.

 

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