Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Die Wiederentdeckung der Bevölkerung. Veränderliche demographische Handlungsfelder zwischen global commons und global needs- Historische Perspektiven seit 1950

Referent/in: Heinrich Hartmann (Basel)

Abstract:
Die Geschichte der Bevölkerungswissenschaften bildete im Verlauf des 20. Jahrhunderts nur scheinbar ein schlüssiges Narrativ. Hinter dem vermeintlich klar definierten Konzept der Bevölkerung und seinem Charakter als Objekt politischer Interventionen verbargen sich höchst unterschiedliche Vorstellungen davon, was man als „Bevölkerung“ untersuchen und wie man auf diese einwirken konnte. Charakteristisch bleibt dabei, dass sich dieser Bevölkerungsbegriff nie alleine aus einem nationalen Kontext erklärte. Er war vielmehr an sich Gegenstand transnationaler Aushandlungsprozesse, durch die eine bestimmte globale, oder doch grenzüberschreitende Handlungsnotwendigkeit konstatiert wurde. Erst hierdurch wurde Bevölkerung zu einem „globalen Gemeingut“, das allerdings weiterhin auf höchst heterogenen lokalen Handlungsagenden und -praktiken aufbaute.

Der Vortrag fokussiert auf diesen höchst veränderlichen Bedeutungsraum des Bevölkerungsbegriffs. Dabei soll zunächst eine kurze chronologische Übersicht über die wichtigen Paradigmenwechsel der Bevölkerungsforschung gegeben werden. Für die Nachkriegszeit wird anschließend gezeigt, wie sich deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Konzept der Bevölkerung wieder aneigneten. Dabei wird auch deutlich, dass die vermutete globale „Bevölkerungsbombe“ (Paul Ehrlich), einerseits zur Wiederbelebung eines Konzeptes führte, dass seit der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland fast verschwunden war; andererseits wird auf diese Weise auch deutlich, wie hierdurch verschiedene entwicklungspolitische Konzepte und damit unterschiedlichste lokale Kontext unter dem Mantel eines scheinbar homogenen Begriffs zusammengeführt wurden. Der daraus resultierende Bevölkerungsbegriff blieb ein höchst ephemeres Konstrukt. Vor diesem Hintergrund diskutiert der Beitrag abschließend die Frage, ob und in welchem Sinne Bevölkerung als ein globales Gemeinschaftsgut verstanden werden kann.

Kategorie: Neuere/Neueste Geschichte

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