Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Die Gefahr des Kontakts. Bewertungen von interkulturellen Begegnungen und Konversionen in der lateinischen Historiographie der frühen Kreuzfahrerstaaten

Referent/in: Kristin Skottki

Abstract:
Während die Kreuzzüge heutzutage im Allgemeinen als ein von religiös motivierter Gewalt geprägtes Phänomen und als Brennpunkt eines vermeintlichen Kampfes der Kulturen gesehen werden, ist die Kreuzzugsforschung seit den 1970er Jahren darum bemüht, die Kreuzzüge und insbesondere die lateinischen Kreuzfahrerherrschaften in der Levante auch als Zeit und Raum des Kulturkontakts und des Austausches zwischen Christen, Muslimen und Juden zu verstehen. Eine besondere Rolle wird dabei den sogenannten ‚Orientlateinern‘ eingeräumt, also den Kreuzfahrern, die sich dauerhaft in der Levante ansiedelten, und ihren im Orient geborenen Nachkommen. Während vor allem die Archäologie und Kunstgeschichte in den letzten Jahrzehnten deren Integration in der ‚neuen Heimat‘ nachweisen konnte, soll anhand der lateinischen Historiographie aus den Kreuzfahrerstaaten überprüft werden, warum sich die ‚Orientlateiner‘ dennoch nicht als positiv konnotiertes Identitätsmodell etablieren konnten, und aus welchen Gründen interkulturelle und interreligiöse Grenzüberschreitungen in diesem Quellenkorpus häufig verschwiegen, marginalisiert oder gar als sündhaft und gefährlich beschrieben werden. Es stellt sich also die Frage, ob nicht die Historiographie selbst ein wesentlicher Hemmnisfaktor dafür war, den offenbar alltäglich gelebten und erlebten Austauschprozessen auch auf der Deutungsebene die angemessene Bedeutung einzuräumen, wodurch Lern- und Transferprozesse zwischen den Kulturen und Denominationen nicht nur in der Levante sondern auch im lateinischen Westen behindert wurden. Wenn man davon ausgeht, dass diesen Texten als wahrhaftigen und authentischen Repräsentationen der Realität in den Kreuzfahrerstaaten besonders vom Publikum in den Ländern vertraut wurde, von denen die Kreuzzüge ausgingen, so dürfen sie als wesentliche Quellen der Handlungsanleitung und -motivation keineswegs unterschätzt werden.

 

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