September
Überblick
(Eva Schlotheuber, Düsseldorf, Clemens Rehm,
Überblick
(Eva Schlotheuber, Düsseldorf, Clemens Rehm, Stuttgart)
Bettina Joergens, Duisburg, Nicola Wurthmann, Marburg:
Archive
Christoph Mackert, Leipzig, Claudia Fabian, München:
Handschriftenzentren
Lena Vosding, Andreas Kistner, Düsseldorf:
Netzwerk Grundwissenschaften
Andrea Stieldorf, Bonn Jürgen Wolf, Marburg:
Wissenschaftliche Forschung
Abstract
Die Sektion schließt sich inhaltlich an die Aufforderung des VHD an, den kommenden Historikertag in Hamburg für eine Selbstreflexion über die Grundlagen des Faches zu nutzen. Die Kompetenz, schriftliche und materielle Originalquellen vergangener Zeiten entschlüsseln und für die eigene Fragestellungen fruchtbar machen zu können, ist die Grundvoraussetzung für die Arbeit aller historisch ausgerichteten Disziplinen. Die Fähigkeit zur adäquaten Erschließung und Quellenkritik der Originalüberlieferung markiert einen wesentlichen Unterschied zwischen Geschichtsinteresse und Forschung. Für die Vermittlung dieser Kompetenzen sind die Historischen Grundwissenschaften zuständig, die heute aus der deutschen Hochschullandschaft zu verschwinden drohen. Jenseits der Erschließung vormoderner Quellen sind jedoch mit der Zeitgeschichtsforschung neue Herausforderungen entstanden, für die profunde Kenntnisse der Medien- und Quellenkritik zentral sind. Dazu gehören die statistische Vermessung der Gesellschaft, visuelle, auditive und audiovisuelle Quellen sowie digitalisierte Massenquellen (etwa Zeitungen), die besondere Kompetenzen der Methodenkritik erfordern. Zudem ist die Geschichtswissenschaft nicht mehr in erster Linie national zentriert und die zunehmend globale Orientierung erfordert eine Quellenanalyse, die über die klassischen Aktenformate weit hinaus reicht. Ein nennenswerter Teil der für die historische Forschung und fachspezifische Informationssysteme bereitgestellten Gelder wird dementsprechend für Digitalisierungsvorhaben und moderne Verwaltungssysteme der Digitalisate aufgewendet, was grundsätzlich sehr zu begrüßen ist. Nur läuft diese sinnvolle Investition wissenschaftlich ins Leere und kann ihr Potential nicht entfalten, wenn die wissenschaftliche Community sukzessive die Fähigkeit verliert, dieses immense und zunehmend besser zugängliche kulturelle Erbe adäquat zu erschließen und für die eigene Forschung fruchtbar zu machen.
Die „digitale Wende“ erfordert somit erweiterte und vertiefte Kompetenzen sowohl der klassischen Quellenkritik als auch der Medienkritik. Die Entgrenzung des Zugangs zu historischen Originalquellen durch Digitalisierung und Open Access muss mit einer wachsenden Kompetenz der heutigen und zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer einhergehen. Nur so können wissenschaftliche Standards nachhaltig gewahrt werden und die Forschungsergebnisse international standhalten. Diese Kompetenzen zu vermitteln, gehört zu den genuinen Aufgaben der universitären Ausbildung der Geschichtswissenschaften. Mit der augenblicklichen Ausstattung der historischen Institute oder Seminare ist diese gewachsene und im Prozess der digitalen Wende aktuelle dringliche Aufgabe aber nicht zu leisten. Diese Sektion möchte die Situation aus verschiedenen Perspektiven, nämlich der bestandhaltenden Institutionen (Bibliotheken und Archive) sowie der Wissenschaft und des Nachwuchses darstellen sowie mögliche Lösungswege diskutieren.
Problematik aus Sicht der Archive
In der digitalen Welt erfährt der Umgang mit historischem Material einen radikalen Wandel. Zum einen werden Bilder und Dateien räumlich und zeitlich unbegrenzt verfügbar gemacht. Zum anderen ist es jeder Person möglich, eigenständig Informationen ins Netz zu stellen. Darüber hinaus verändert im digitalen Zeitalter – was weniger bekannt ist – auch das übernommene Archivgut seine Erscheinungsformen und Aussagewerte.
Angesichts dieser Situation erhalten die schon von jeher zentralen archivischen Kategorien ‚Ordnung‘ und ‚Struktur‘ neue Relevanz für die Interpretation historischen Materials. Zur quellenkritischen Interpretation der ‚Quellen von morgen‘ wird es darüber hinaus wichtig, sich mit den Prozessen der Entstehung von Informationen in modernen Verwaltungen vertraut zu machen. Archivarinnen und Archivare tragen daher mit ihren archivwissenschaftlichen Fachkenntnissen zur aktuellen Diskussion über Grundwissenschaften bei.
Problematik aus Sicht der Bibliotheken
Die historischen Quellenbestände in den wissenschaftlichen Bibliotheken werden von einer weiterhin archivzentrierten Geschichtswissenschaft zu wenig wahrgenommen und genutzt. Gleichzeitig erweitert sich durch die digitale Wende das Angebot und die Zugänglichkeit zu diesen Quellen dramatisch. Die DFG-Pilotphase Handschriftendigitalisierung, aber auch die DFG-geförderten Digitalisierungsprogramme für Alte Drucke sind hier Meilensteine. Jüngst angestoßen wurde der Aufbau eines neuen zentralen Handschriftenportals, das einen wichtigen Beitrag zu einer virtuelle Forschungsumgebung für das Handschriftenerbe leisten wird. Den wissenschaftlichen Nachwuchs für diese Angebote zu sensibilisieren und die Nutzerbedürfnisse der neuen Forschergenerationen adäquat bei Erschließung und Präsentation zu bedienen, ist eine wichtige infrastrukturelle Aufgabe der Bibliotheken. Auf der anderen Seite bedarf es intensivierter Qualifizierungsmaßnahmen der universitären Ausbildung, damit Kompetenzen wie paläographische oder kodikologische Kenntnisse sowie Arbeitstechniken der Digital Humanities vertieft erworben und die Angebote der Bibliotheken adäquat genutzt werden können. Auch für die Qualifizierung künftigen Bibliothekspersonals ist dies von zentraler Bedeutung.
Problematik aus Sicht des wissenschaftlichen Nachwuchses
Ein Erfahrungsaustausch des wissenschaftlichen Nachwuchses (Anf. Des Jahres 2015 an der LMU) hat gezeigt, dass die Möglichkeit, die Qualifikationsarbeiten auf der Basis nicht edierte Quellen zu schreiben, unmittelbar mit der Qualität der universitären Ausbildung zusammenhängt. Ebenso wurde deutlich, dass die Vermittlung dieser Fähigkeiten inzwischen sehr vom Standort und / oder von der Lehre engagierter Einzelpersonen abhängt. Der wissenschaftliche Nachwuchs erkennt aus seiner Perspektive die veränderte Situation bzw. die Mängel mit besonderer Schärfe. Die in München aus der Taufe gehobene Initiative eines Nachwuchsnetzwerkes ‚Historische Grundwissenschaften‘ möchte hier ansetzen und speziell dem graduierten Nachwuchs an deutschen Forschungseinrichtungen eine Stimme geben.
Problematik aus Sicht der Wissenschaft
Für die Wissenschaft sind die Originalquellen die Basis jeder Erkenntnis. Selbst komplexe Vorstellungswelten, Forschungsthesen und Theoriegebäude verlangen immer wieder danach, auf die materialen Grundlagen zurückgeführt zu werden. Diese Quellengrundlagen eines Tages nicht mehr verstehen, nicht mehr lesen zu können, oder gar sie überhaupt nicht mehr zu (er)kennen, würde den Verlust des wissenschaftlichen Zugangs bedeuten – mit erheblichen Folgen auch für die Forschungen der Nachbardisziplinen. Die grundwissenschaftliche Forschung sieht sich einem zunehmenden Rechtfertigungsdruck auch innerhalb der Fächer Geschichte und Germanistik (Altgermanistik) ausgesetzt; dies macht sich beispielsweise bei Stellen(wieder)besetzungen und Drittmittelanträgen bemerkbar. Dem kann nur entgegengewirkt werden, indem die inhaltlichen und methodischen Stärken der grundwissenschaftlichen Disziplinen offensiv vertreten werden. Die Problematik des Verlusts von Kompetenzen soll sowohl aus der Sicht des Fachs (AG Grundwissenschaften) also auch aus Sicht der benachbarten Philologien (Germanistik) in den möglichen Perspektiven bzw. (negativen) Konsequenzen analysiert und diskutiert werden.
Zeit
(Mittwoch) 9:00 - 11:00
Ort
HWF-121
Hauptgebäude Westflügel
Überblick
(Peter Haslinger, Marburg/Gießen, Christoph Schäfer, Trier) Podiumsdiskussion - Mareike König, Paris - Christoph Schäfer,Trier - Karoline Döring, Innsbruck - Joachim Berger, Mainz - Charlotte Jahnz, Bonn - Annalena Schmidt, Bautzen - Simone Lässig, Washington
Überblick
(Peter Haslinger, Marburg/Gießen, Christoph Schäfer, Trier)
Podiumsdiskussion
– Mareike König, Paris
– Christoph Schäfer,Trier
– Karoline Döring, Innsbruck
– Joachim Berger, Mainz
– Charlotte Jahnz, Bonn
– Annalena Schmidt, Bautzen
– Simone Lässig, Washington
Zeit
(Mittwoch) 11:15 - 13:15
Ort
HWF-121
Hauptgebäude Westflügel
Überblick
(Robert Kretzschmar, Stuttgart/Tübingen, Rainer Hering,
Überblick
(Robert Kretzschmar, Stuttgart/Tübingen, Rainer Hering, Kiel)
Robert Kretzschmar, Stuttgart/Tübingen:
Einführung
Gerald Maier und Christina Wolf, Stuttgart:
Das Archivportal-D und die Deutsche Digitale Bibliothek. Neue übergreifende Recherchemöglichkeiten nach Quellen für die historische Forschung
Matthias Razum, Karlsruhe:
Tear down this wall – Offene Schnittstellen für die vernetzte Forschung
Michael Hollmann, Koblenz:
Angebote des Bundesarchivs im Netz
Stefan Kuppe, Udo Schäfer, Hamburg:
Das Transparenzportal Hamburg – Open Government Data als Angebot auch an die historische Forschung
Rainer Hering, Kiel:
Präsenz durch Publikationen. Open-Access-Publishing als Angebot der Archive
Rüdiger Hohls, Berlin:
Statement aus der Sicht der historischen Forschung
Abstracts (scroll down for English version)
Welche Angebote der Archive stehen heute der historischen Forschung im Netz zur Verfügung, um nach Archivgut zu recherchieren? Inwieweit sind Informationen zu Archivgut abrufbar und in welchem Umfang sind die Archivalien selbst digitalisiert? Welche Möglichkeiten bestehen für die Weiterverwendung der Daten und Digitalisate? Welche Strategien verfolgen die Archive bei der online-Stellung von Informationen zu Archivgut und Digitalisaten? Welche Anforderungen sollten dabei aus der Sicht der Forschung Beachtung finden? Diese Fragen stehen im Vordergrund der Sektion, die den Dialog zwischen den Archiven und der historischen Forschung fördern soll. Neben der reinen Information zielt die Sektion vorrangig auf eine wechselseitige Sensibilisierung für Bedarfe und Möglichkeiten.
Im September 2014 wurde das Archivportal-D innerhalb der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) freigeschaltet, das dazu eingerichtet ist, aus allen Archiven Deutschlands Informationen zu Archivgut zusammenzuführen und spartenübergreifend mit Metadaten und Digitalisaten anderer Kulturinstitutionen – insbesondere der Bibliotheken und Museen – zu vernetzen. Die Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Archivverwaltungen des Bundes und der Länder (KLA) hat 2015 ein Positionspapier verabschiedet, demzufolge sich das Archivportal-D zu d e m zentralen Nachweisinstrument für Archivgut in Deutschland und Nukleus einer in der nächsten Zeit konsequent auszugestaltenden Portallandschaft entwickeln soll. Was damit gemeint ist, wird in der Sektion erläutert. Auf dieser Grundlage werden sodann aktuelle Angebote des Bundesarchivs, des Staatsarchivs Hamburg und des online-Publishing vorgestellt.
Die Referate greifen ineinander und werden jeweils unmittelbar im Anschluss diskutiert. Das abschließende Statement erfolgt aus der Sicht der historischen Forschung und soll in eine umfassende Abschlussdiskussion einmünden.
Christina Wolf, Gerald Maier, Stuttgart:
Das Archivportal-D und die Deutsche Digitale Bibliothek. Neue übergreifende Recherchemöglichkeiten nach Quellen für die historische Forschung
Noch vor wenigen Jahren gestaltete sich die Recherche nach Archivgut im Internet als sehr mühsam: Meistens erforderte sie den Besuch individueller Webseiten einzelner Archive; die stellenweise vorhandenen gemeinsamen Angebote mehrerer Einrichtungen waren i.d.R. auf regionale oder themenspezifische Zugänge beschränkt. Die Handhabung der Recherchesysteme erwies sich zudem häufig als wenig intuitiv oder doch zumindest sehr heterogen. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass wissenschaftliche Nutzer/innen, Fördergremien und die Archivwelt selbst schon seit den frühen 2000er Jahren die Entwicklung eines Archivportals auf nationaler Ebene erwarteten und forderten.
Dieses Vorhaben wurde ab Oktober 2012 mit Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und in enger Verbindung mit der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) verwirklicht: Das Archivportal-D (www.archivportal-d.de) steht seit Herbst 2014 für die öffentliche und kostenfreie Nutzung zur Verfügung. Damit existiert erstmals ein zentraler, deutschlandweiter Zugangspunkt zu archivischen Erschließungsleistungen und digitalisierten Archivalien. Das deutsche Archivportal bietet historisch Forschenden und allen Interessierten eine Plattform für die Recherche nach fachgerecht aufbereiteten Informationen zu deutschen Archiven, deren Beständen, Findmitteln und Archivgut. Es ist sowohl technisch als auch organisatorisch eng mit der spartenübergreifenden Deutschen Digitalen Bibliothek verknüpft, woraus sich Synergien und Vorteile für Anwender/innen ebenso wie für beteiligte Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen ergeben. Mit derzeit mehr als 11 Millionen Datensätze von über 80 Archiven und Adressangaben von über 600 Institutionen (Stand: Januar 2016) steht im Archivportal-D inzwischen eine wertvolle Datenbasis für Forschung und Wissenschaft bereit, die beständig erweitert wird.
Der Beitrag stellt zunächst die Genese und Zielsetzungen des Archivportals-D vor. Eingehend werden dann die Portaloberfläche und Recherchefunktionalitäten erläutert. Des Weiteren wird ein Ausblick auf die zukünftigen Herausforderungen und Entwicklungen im Bereich des Archivportals-D und der Deutschen Digitalen Bibliothek gegeben und dargestellt, wie sich beide Angebote in die Landschaft bestehender Online-Portale einfügen und welche Chancen die angestrebte enge Vernetzung eröffnet.
Matthias Razum, Karlsruhe:
Tear down this wall – Offene Schnittstellen für die vernetzte Forschung
Die tiefgreifende Transformation der Wissenschaft durch deren fortschreitende Digitalisierung betrifft auch die Geisteswissenschaften. Der sich etablierende Bereich der „Digital Humanities“ zeigt dies ebenso wie die verstärkte Orientierung von Gedächtniseinrichtungen hin zu Angeboten im Netz. Immer mehr Metadaten, Erschließungsinformationen wie z.B. Findbücher, aber auch Digitalisate sind online verfügbar. Dabei zeigt sich, dass die Stärke des Internets – nämlich die Verteilung – auch ihre Nachteile hat. Das Angebot stellt sich für Nutzende hochgradig fragmentiert dar. Wie kann also das Potenzial der verteilten Informationsinfrastrukturen für die Forschung nutzbar gemacht werden?
Gedächtniseinrichtungen haben (glücklicherweise) feste Häuser mit Mauern – im Digitalen aber sind Mauern als tragende Strukturelemente nicht mehr notwendig. Ganz im Gegenteil: hier verhindern sie den freien Fluss der Daten und damit auch, den vollen Nutzen aus den mit intellektuellem und finanziellen Aufwand erschlossenen und digitalisierten bzw. digitalen Quellen zu ziehen. Diese Daten können in vielfachen Nutzungskontexten relevant sein. Dem stehen aber Einrichtungen gegenüber, die aufgrund beschränkter Ressourcen nur Zugriffswege für wenige dieser Kontexte ermöglichen können, etwa in Form ihrer Zugangs- und Rechercheportale. Offene Schnittstellen erlauben es Dritten, weitere Nutzungskontexte zu eröffnen, etwa in Form von virtuellen Forschungsumgebungen. In diesen können Forschende Daten aus unterschiedlichsten Quellen zusammenführen, tiefer erschließen, miteinander in Beziehung setzen und publizieren. Zentrale Portale wie die Deutsche Digitale Bibliothek oder Archivportal-D ermöglichen eine übergreifende Vernetzung und Recherche der Daten und überwinden so die Mauern der vielen Einzelsysteme in einer verteilten Informationsinfrastruktur.
Die Vernetzung setzt aber einige Bedingungen voraus: die Daten müssen eindeutig und persistent identifiziert sein, sie müssen unter einer möglichst offenen Lizenz nutzbar, umfänglich mit Normdaten erschlossen und über dokumentierte und standardisierte Schnittstellen zugreifbar sein – etwa über Programmierschnittstellen (API: Application Programming Interface). Erst die konsequente Erfüllung dieser Bedingungen hebt den digitalen Schatz vollständig, der in den vielfältigen digitalen Angeboten der Gedächtnisorganisationen zu finden ist.
Matthias Razum ist Leiter des Teilbereichs eScience, IT, Development & Applied Research beim FIZ Karlsruhe – Leibniz Institut für Informationsinfrastruktur.
Michael Hollmann, Koblenz:
Angebote des Bundesarchivs im Netz
Seit Jahren ist das Bundesarchiv bemüht, seine Erschließungsdaten – soweit rechtlich möglich – über das Internet allgemein zugänglich zu machen. Nach der Freischaltung seiner Suchmaschine invenio und dem Aufbau der Basisfunktionen eines Digitalen Archivs wird das Bundesarchiv in der Zukunft bemüht sein, verstärkt auch digitalen Content über das Internet für die Online-Benutzung bereitzustellen. Da es seine Erschließungsdaten samt digitalem Content auch an das Archivportal D weitergibt, leistet das Bundesarchiv so gleichzeitig einen Beitrag zum Auf- und Ausbau vernetzter historischer Informationssysteme.
Aufbauend auf seinen bisherigen Erfahrungen wird das Bundesarchiv bei der Digitalisierung und Onlinepräsentation von Archivgut im Internet künftig doppelgleisig verfahren. Zum einen werden Digitalisate, die im Kontext konkreter Benutzungen on demand erstellt werden, künftig auch über das Internet allgemein und dauerhaft verfügbar gemacht. Auf diese Weise entsteht im Laufe der Zeit ein neuartiges Referenzsystem für die historische Forschung, das über die traditionellen Verweise auf die Fundorte archivischer Bezugsquellen hinaus diese Quellen selbst als Digitalisat verfügbar macht und so den fachlichen Diskurs befördert.
Daneben wird das Bundesarchiv sein Onlineangebot konzeptionell ausbauen. Den Einstieg in das umfassende Projekt der Online-Präsentation seines Archivguts nimmt das Bundesarchiv über ein Projekt mit dem Arbeitstitel „Deutschland in zwei Nachkriegszeiten“. Ziel wird es sein, Archivgut zu identifizieren, zu digitalisieren und online zu präsentieren, das – gleich ob es sich um Schriftgut, Fotos, Filme oder Töne handelt – für eine Vielzahl von Themen und Forschungsansätzen als Leitquelle relevant ist. Dabei sollen immer vollständige Akten oder sogar Aktengruppen digitalisiert werden, damit dem archivischen Kontext-Gebot entsprochen wird.
Von entscheidender Bedeutung wird es sein, Archivgut auszuwählen, das tatsächlich eine offene Auseinandersetzung und Deutung der Geschichte der Weimarer Republik bzw. der Nachkriegsgeschichte anregen soll und dessen Auswahl nicht bereits ein eigenes Narrativ enthält. „Weimar“ etwa soll nicht von vorneherein aus der Perspektive des Scheiterns dokumentiert werden, sondern als zwar immer gefährdeter, zumindest zeitweise aber durchaus erfolgversprechender Versuch der Errichtung einer parlamentarischen Demokratie in Deutschland erkennbar werden – die Zwischenkriegszeit soll als offen und gewissermaßen „in Fahrtrichtung“ nachvollzogen werden können.
Stefan Kuppe, Udo Schäfer, Hamburg:
Das Transparenzportal Hamburg – Open Government Data als Angebot auch an die historische Forschung
Das Hamburgische Transparenzgesetz (HmbTG) legt eine umfassende Veröffentlichungspflicht für Informationen des öffentlichen Sektors fest, durch die die Transparenz staatlichen Handelns und die demokratische Meinungs- und Willensbildung gefördert werden soll. Unter den Informationen, die unter Beachtung des Schutzes personenbezogener Daten öffentlich zugänglich gemacht werden, finden sich zum Beispiel Geodaten, Statistiken, Verträge und Beschlüsse des Senats. Der Zugriff erfolgt seit dem 1. Oktober 2014 über das Transparenzportal Hamburg. Der Fachliche Betrieb des Portals liegt in der Zuständigkeit der Fachlichen Leitstelle Transparenzportal Hamburg des Staatsarchivs.
Der Vortrag wird das Transparenzportal Hamburg in den verwaltungswissenschaftlichen Diskurs über Open Government Data einordnen und die Frage aufwerfen, ob nicht auch die historische Forschung als Adressat dieses Angebots in den Blick zu nehmen ist. Darüber hinaus wird er aus archivwissenschaftlicher Perspektive Aspekte erörtern, die von Seiten der Geschichtswissenschaften zu bedenken sind, wenn sie aus Aufzeichnungen Informationen erheben, die bisher nicht als Archivgut übernommen worden sind und deren Erhaltung auf Dauer die historische Forschung deshalb nicht voraussetzen darf.
Rainer Hering, Kiel:
Präsenz durch Publikationen. Open-Access-Publishing als Perspektive für Archive
Für Archive ist die Präsenz im Internet – wie für alle anderen gesellschaftlichen Institutionen – notwendig, um adäquat wahrgenommen zu werden. Neben Portalen bietet das Open-Access-Publizieren eine zusätzliche Möglichkeit, die Sichtbarkeit von Archiven durch eigene Publikationen zu vergrößern. Dabei werden Bücher zugleich als klassische, hochwertige Printpublikationen, aber auch als ansprechend aufbereitete Online-Publikationen, die kostenfrei im Internet zur Ansicht und zum Herunterladen angeboten werden, bereitgestellt. Ergänzungen und Neuauflagen können schnell und kostengünstig realisiert werden; durch das Print-on-Demand-Verfahren werden Lagerkosten gespart. Innovative Publikationsverfahren bieten zudem die Chance, das vielfältige archivische Spektrum von Text, Bild, Ton und Film geschickt zu verbinden.
Der Beitrag erläutert grundsätzlich das Open-Access-Publizieren und dessen Bedeutung für die wissenschaftliche Forschung. Am Beispiel des Staatsarchivs Hamburg und des Landesarchivs Schleswig-Holstein wird dieses neue Publikationsmodell konkret vorgestellt, das die Vorteile von Internetpräsenz mit hoher weltweiter Sichtbarkeit und solider Buchveröffentlichung kombiniert.
Abstracts (English version)
Which services do archives offer historical researchers today to access their holdings on the internet? In what degree do they provide information on archival material and digitized documents? How can the data and digital facsimiles be further processed and reused? Which strategies do archives pursue when providing information online? Which requirements of researchers have to be considered? These are the main topics of this session that aims at promoting the dialogue between archivists and historical researchers. It’s objective is not only information sharing, but creating a mutual understanding for needs and opportunities.
The German Archives Portal, Archivportal-D, was launched in September 2014 and acts as the central platform for archival information in Germany. It gathers metadata and digital reproductions from all kinds of archives and links them with the content of other cultural heritage institutions, especially libraries and museums.
The purpose of Archivportal-D as the central access point to archival material within a growing network of cultural portals has also been outlined in a position paper published by the conference of heads of state archives in Germany in 2015. This will be described further in the session. The following talks will cover current services of the Bundesarchiv, the Staatsarchiv Hamburg and of online-publishing.
The interlocking presentations will be discussed subsequently. A concluding position statement from the angle of historical research will lead into a wide-ranging closing discussion.
Christina Wolf, Gerald Maier, Stuttgart:
Archivportal-D and Deutsche Digitale Bibliothek. New Comprehensive Services for Historical Research
Only a few years ago, the research for archival material on the internet proved to be very troublesome: Generally, users had to visit each and every archives’ website separately. Online search systems spanning more than one institution in this field were scarce, often limited to specific regions or topics and inconvenient. Knowing this, it is no surprise that more and more voices were raised that deemed a nationwide archives portal necessary.
This German Archives Portal, Archivportal-D, was finally realized thanks to funding by the German Research Foundation and a close connection with the German Digital Library (Deutsche Digitale Bibliothek). It is publicly and freely available since autumn 2014 and offers for the first time central and comprehensive access to records of all kinds of German archives. Researchers are able to find information on archival institutions, to look through finding aids provided by participating archives, to view search results and to study digital copies of archival records – all by browsing one single website.
Archivportal-D forms part of the Deutsche Digitale Bibliothek, the overall German Digital Library, and is embedded in its structure in terms of organization and technical background which guarantees sustainability beyond the project’s lifetime. At the same time, the interconnectedness creates positive outcomes for both users and cultural heritage institutions. With currently more than 11 million records from over 80 archives and address details of over 600 institutions (as of January 2016), Archivportal-D has already become a valuable information resource for research and science that is continually being extended.
The lecture will first introduce the beginnings and objectives of the German Archives Portal. The portal interface and search functionalities will then be presented in depth. After that, explanations on future challenges and developments in the field of Archivportal-D and Deutsche Digitale Bibliothek will follow. Finally, it will be shown which position both services take in the network of other online portals and what opportunities arise from the close cross-linkage.
Mathias Razum, Karlsruhe:
Tear Down This Wall – Open Interfaces for Networked Research
The profound transformation of research triggered by the progressing digitization affects both science and humanities. This is illustrated by the establishing field of Digital Humanities and the increase in web-based offerings by memory institutions. More and more metadata, indexing information like finding aids, and digitized materials are available online. It becomes apparent that the strength of the Internet – distributed resources – also has its downsides. For users, the offering turns out to be highly fragmented. Thus, the question is how to leverage the potential of distributed information infrastructures?
Memory institutions (fortunately) own buildings with sound walls – in the digitized world, however, walls are not needed any longer as supporting structures. Quite the opposite: walls block the free flow of data and thereby circumvent realising the full benefit of digitized materials that have been indexed with substantial intellectual and financial resources. This data may be relevant in multiple application contexts. Memory institutions with their typically limited resources can only address the most important application contexts, e.g. by means of search and dissemination portals. Open interfaces enable third parties to address the remaining application contexts, e.g. in the form of virtual research environments. These environments facilitate merging data from various sources, index it, create relations, and finally publish it. Central access portals like the German Digital Library (Deutsche Digitale Bibliothek) and the German Archives Portal (Archivportal-D) allow for comprehensive referrals and searches across the many data sources of a distributed information infrastructure, thus tearing down institutional walls.
The interconnectedness requires several preconditions to be met: all data is uniquely and persistently identified, it is reusable under an open license, authority data is used where appropriate, and the data is accessible via standardized and well-documented application programming interfaces. Only if all the preconditions are fulfilled, the true value of the digital treasure hidden in the manifold web-based offerings of memory institutions can be uncovered.
Michael Hollmann, Koblenz:
Content Offers on the Internet: The Federal Archives‘ Strategy
For the past years, the Federal Archives (Bundesarchiv) made considerable efforts to enable online access to all its description information – as far as legally possible. Following the launch of its research database “invenio” and the establishment of basic functionalities of a digital repository, the Federal Archives henceforth will also focus on the online presentation of ever more digital content. In addition to that, all description information and digital content is transmitted to the national archives portal (Archivportal-D). Thus the Federal Archives contributes to the creation and expansion of linked historical information systems.
Based on the experience gained so far, the Federal Archives will follow a double strategy of digitization and online presentation of archival material. First, documents digitized “on demand” – i.e. by order of users being interested in digital copies of specific sources – will also be presented on the internet and permanently made accessible. Thus, as time goes by, a new kind of reference system for historical research could be established: When in future not only locations and reference numbers of archival sources are indicated, but the sources themselves made available in digital form, discussions among professionals might well be fostered.
Furthermore, the Federal Archives is going to amend its web concept. A project preliminary titled “Germany in two post-war eras” (“Deutschland in zwei Nachkriegszeiten”) marks the starting point of the long process of significantly extending the amount of archival material presented online. The project aims at identifying, digitizing and presenting online archival material of high relevance for a number of topics and research approaches – no matter whether we talk about files, pictures, films or sounds. In order to be in line with the tradition of presenting archival sources within their context, files or record groups shall always be digitized as a whole.
A crucial point is the selection of archival material to be digitized. It is highly important to choose sources that stimulate an open research in and analysis of the history of the Weimar Republic and the years after 1945. The selection has to be made without any prejudgment – the Weimar Republic, for example, shall not be presented from the perspective of failure, but recognized as an – even if permanently threatened – at least partially successful attempt to establish a parliamentary democracy in Germany. The chosen sources shall thus help to understand the inter-war period “in the direction of travel”.
Stefan Kuppe, Udo Schäfer, Hamburg:
The Transparency Portal Hamburg – Open Government Data as an Offer as well for Historical Scientific Research
According to the Hamburg Transparency Law the public authorities of the Free and Hanseatic City of Hamburg are obliged to publish certain categories of public sector information in order to enhance transparency and democratic participation. The categories of public sector information which are made accessible within the limitations set up by the protection of privacy include geographic and statistical information as well as contracts and decisions of the senate. Since 2014, October 1 the access is provided via the Transparency Portal Hamburg. A special unit of the State Archives of the Federal State of Hamburg is responsible for the portal.
The presentation will connect the Transparency Portal Hamburg with the discourse concerning open government data within the administrative science and will raise up the question if the historical scientific research should be addressed as well by this offer. Besides the presentation will discuss several aspects from the perspective of archival science which should be taken into account by the historical sciences in case they make use of records which have so far not been transferred to public archives and whose preservation is therefore uncertain.
Rainer Hering, Kiel:
Open Access Publishing for Archives
Archives as any other organizations have to be visible in the internet. Besides their own websites one or more archival gateways as Archivportal D or Europeana are important to be visible in our modern world. Another opportunity is open access-publishing. Archives will be more visible if their publications are distributed in the classical way as printed books with high quality but as E-books or internet publications as well.
Open access means that the internet publications are free of charge. Open access publications are visible all over the world 24 hours a day. Revised editions are very fast and easy to be produced at a very low price. Especially finding aids or inventories could be published and revised very quickly. The paper books are published as prints on demand, so that there are no storage costs. Open access-publishing offers the opportunity to mingle different media in one publication, e.g. photos, sound- and film-sequences with are directly combined with the text. The paper will show the opportunities of open access-publishing which is practiced at the State Archives of Hamburg and Schleswig-Holstein.
Überblick
(Niko Lamprecht, Wiesbaden, Michael Landgraf,
Überblick
(Niko Lamprecht, Wiesbaden, Michael Landgraf, Neustadt)
Niko Lamprecht, Wiesbaden:
»Reformation reloaded« – ein Online und Printprojekt von EKD und VGD
Michael Landgraf, Niko Lamprecht:
Teilthemen aus »Reformation reloaded«
Achim Müller:
Didaktische Reflexion
Abstract:
Moderne Darstellung von Glaubensfragen – EKD & VGD kooperieren
Der Verband der Geschichtslehrer hat sich in der Vergangenheit zunehmend den Neuen Medien gestellt und dazu mit verschiedenen Medienpartnern Materialien im Internet zur Verfügung gestellt. Diese wurden stark nachgefragt und in der Praxis weitgehend positiv aufgenommen, aber auch aus verschiedenen Perspektiven kritisiert. Mit dem Projekt „Reformation reloaded“ wird seit 2014 wiederum Neuland betreten. In der paritätisch besetzten Arbeitsgruppe wird unter Leitung von Dr. Uwe Hauser (EKD) und Niko Lamprecht (VGD e.V.) an Materialien gearbeitet, welche zeitgemäße und für den Unterricht direkt nutzbare Perspektiven zur Reformation aufzeigen wollen. Die Materialien werden in einem aufwändigen Prozess abgestimmt (Zielpunkt: 2017), angestrebt wird ein bundesweit nutzbares Online-Portal mit ergänzendem Printmaterial. Im Thesenpapier zum Projekt wird formuliert: „Reformation reloaded: 2017 – Stationen des Protestantismus in der Geschichte“:
„EKD und VGD e.V. sind der festen Überzeugung, dass das Jahr 2017 nicht eine bloße Feier- und Gedenkmöglichkeit bieten sollte. Das Thema Reformation bedarf stetiger Behandlung, Vergewisserung und Überprüfung – aus unterschiedlicher Perspektive. Hiermit sind nicht nur die verschiedenen religiösen oder religionskritischen Positionen inner- und außerhalb der EKD gemeint, sondern auch divergierende Verortungen zeitlicher oder regionaler Art. Diese lenken den Blick z.B. auf die Zeitgebundenheit theologischer oder politischer Ansichten, die intendierten Materialien sollen neben der Vermittlung von Kenntnissen somit immer die Chance zur Multiperspektivität und die Anregung zur kritischen Distanz bieten. – Mit der 2014 begonnenen Phase der Konzeptentwicklung und Erstellung erster Pilot-Bausteine hat sich das inhaltliche Angebot des Internetportals strukturiert.“
Zentrale Themenfelder sind:
Längsschnitt:
– Vor der Reformation
– Luther selbst
– Die Zeit
– Die „Anderen“
– Nachreformatorische Zeit
– Reformation heute
Übergreifende Themenfelder:
– Ökonomie
– Bildung
– Politik Gesellschaft
– Europa
– Frieden
– Kultur
Insgesamt sollen sich multimediale Angebote und Anreize mit einem flexiblen methodisch-didaktischen Angebot verbinden, dieses kann von Lehrkräften der Fächer Geschichte und Religion als Online-Unterrichtseinheit ebenso flexibel genutzt werden.
In der Sektion sollen zwei der Bausteine vorgestellt und reflektiert werden. Neben allgemeinen Informationen und der Vorstellung des Projekts wird es auch eine kritische Analyse aus geschichtsdidaktischer Perspektive geben.
Zeit
(Mittwoch) 15:15 - 17:15
Ort
PHIL-C
Philosophenturm
Überblick
(Mareike König, Paris, Torsten Hiltmann,
Überblick
(Mareike König, Paris, Torsten Hiltmann, Münster)
Mareike König, Torsten Hiltmann:
Einleitung: Digitale Methoden für die Geschichtswissenschaft
Semantic web/Linked Data
Karsten Tolle, David Wigg-Wolf, Frankfurt/M.:
Nomisma: Linked Open Data in der Numismatik am Beispiel von AFE, Nomisma.org und OCRE/CRRO
Anna Aschauer, Mainz:
Das Potenzial der digitalen Werkzeuge. Cosmotool: Grenzüberschreitende Lebensläufe in den europäischen Nationalbiographien des 19. Jahrhunderts
Digitale Editionen
Friedrich Meins, Oliver Bräckel, Leipzig:
Edieren – Annotieren – Publizieren: eComparatio und CTS
Godfried Croenen, Liverpool:
The Online Froissart. A Digital Edition of the Chronicles of Jean Froissart
Georg Vogeler, Graz, Susanna Burghartz, Basel:
Mehrwert für die Forschung: Digitales Edieren am Beispiel der Basler Jahrrechnungen im 16. Jahrhundert
Text-mining
Jaap Verheul, Pim Huijnen, Utrecht:
Texcavator as a Tool for Cultural Text Mining in Historical Newspaper Repositories
Thomas Werneke, Potsdam:
Das DDR-Pressekorpus und DiaCollo
Netzwerkanalyse und biographische Datenbanken
Marten Düring, Luxembourg:
Verdeckte soziale Netzwerke im Nationalsozialismus. Die Entstehung und Arbeitsweise von Berliner Hilfsnetzwerken für verfolgte Juden
Dagmar Mrozik, Wuppertal:
The Jesuit Science Network. Einsatz von digitalen Methoden in der Wissenschaftsgeschichte
Historische GIS – Visualisierung
Yvonne Rommelfänger, Trier, Niklas Alt, Trier:
Vom gedruckten Werk zum Digitalen Atlas – Möglichkeiten und Herausforderungen des Digitalen
Piotr Kuroczynski, Marburg:
Digitale 3D Rekonstruktionen in virtuellen Forschungsumgebungen
Abstracts
“Digital Humanities” sind als Modeschlagwort in aller Munde. Doch ist vielen nicht klar, was sich für die Geschichtswissenschaften konkret hinter diesem Schlagwort verbirgt. Allgemein wird darunter die Anwendung digitaler Methoden für die Beantwortung geisteswissenschaftlicher Fragestellungen sowie die Reflexion darüber verstanden. Doch welche Methoden, Tools und Überlegungen kommen hier konkret zur Anwendung? Wie sieht digitale Geschichte, sehen digitale Projekte im Bereich der Geschichtswissenschaft konkret aus? Welchen Mehrwert bieten sie gegenüber bisherigen Methoden? Welche Fragestellungen lassen sich damit neu oder anders beantworten, welche lassen sich ganz neu stellen? Schließlich, wie wird sich unser historisches Arbeiten durch digitale Arbeitsweisen verändern?
Ziel der Sektion ist es, einen Überblick über die vielfältigen digitalen Methoden in der Geschichtswissenschaft zu geben und an konkreten Praxisbeispielen deren möglichen Nutzen für unser Fach aufzuzeigen.
Weitere Praxisbeispiele aus der digitalen Geschichtswissenschaft werden auf dem Historikertag im Rahmen einer Postersession im Raum HWF-121 präsentiert. Am Mittwoch, 21. September, 15-16:30 Uhr gibt es zudem Gelegenheit, mit den Autoren der Poster zu diskutieren.
Semantic web/Linked Data
Karsten Tolle, David Wigg-Wolf, Frankfurt/M.:
Nomisma: Linked Open Data in der Numismatik am Beispiel von AFE, Nomisma.org und OCRE/CRRO
Das Linked Open Data-Projekt Nomisma.org stellt verschiedenen Konzepte der Numismatik basierend auf den Methoden des Semantic Webs bzw. Linked Open Data (LOD) öffentlich bereit. Damit schafft Nomisma.org die Grundlage für einen maschinen-verstehbaren Datenaustausch.
Nomisma.org und auch die darauf hervorgegangenen Services Coinage of the Roman Republic Online (CRRO) und Online Coins of the Roman Empire (OCRE) können sowohl von Münzkabinetten und Museen als auch von Münzfundcorpora genutzt werden, um die Daten untereinander auszutauschen bzw. bereitzustellen. In unserem Projekt Antike Fundmünzen in Europa (AFE) nutzen wir diese Ressourcen, um verschiedene Münzfund-Datenbanken einheitlich über ein Metaportal abzufragen. Weiterhin erlaubt der LOD-Ansatz, dass durch Bereitstellung unserer Daten zu Münzfunden, diese ebenfalls über OCRE als Belege für einzelne Münztypen zusammen mit den entsprechenden Münzen anderer Einrichtungen angezeigt werden.
In der Präsentation werden wir dies praktisch vorführen, um zu zeigen, WAS aktuell möglich ist. Aber natürlich soll auch das WIE angesprochen werden.
Anna Aschauer, Mainz:
Das Potenzial der digitalen Werkzeuge. Cosmotool: Grenzüberschreitende Lebensläufe in den europäischen Nationalbiographien des 19. Jahrhunderts
Durch die fortschreitende digitale Erfassung von historischen Quellen wächst die Menge der für Geisteswissenschaftler auswertbaren Daten (von „Knappheit“ zu „Überfluss“). Um diese großen Datenmengen auszuwerten, wird ein digitales Werkzeug benötigt, welches dem spezifischen Erkenntnisinteresse von Historikern entspricht. Dabei soll die hermeneutische Methode nicht durch quantitative Analyse ersetzt werden, sondern dadurch präziser angewandt werden, um den Blick für neue Fragen zu schärfen.
Im Vortrag wird das Cosmotool vorgestellt, ein digitales Werkzeug, das qualitative und quantitative Ansätze vereint. Dieses Werkzeug ist speziell für die Forschung mit und zu Biographien entwickelt worden und erlaubt die automatische Entdeckung von Verbindungen zwischen Personen, Orten, Daten und Ereignissen in großen biografischen Korpora. Als nächsten Schritt soll es die Identifikation von Personengruppen unterstützen und die Visualisierung von Netzwerken ermöglichen, was es erlauben würde, weitere Arten von Fragen mit Cosmotool zu bearbeiten.
Digitale Editionen
Friedrich Meins, Oliver Bräckel, Leipzig:
Edieren – Annotieren – Publizieren: eComparatio und CTS
Die Altertumswissenschaften befinden sich in der komfortablen Lage, über weitgehend abgeschlossene digitale Korpora der literarischen Überlieferung zu verfügen. Darauf bauen zwei Projekte am Lehrstuhl für Alte Geschichte der Universität Leipzig auf: Ziel ist die Schaffung einer Benutzeroberfläche, die es ermöglicht, Texte auf unterschiedlichsten hermeneutischen Hierarchieebenen (Mss., Drucke, andere Edd.) in reiner PLAINTEXT-Eingabe ohne jeglichen Programmieraufwand den bereits Vorhandenen zur Seite zu stellen und verschiedene Formen des Textvergleichs ebenso wie eine Verknüpfung mit verschiedensten Metadaten zu ermöglichen. Dazu wird die Vergleichssoftware eComparatio, in Leipzig und Erfurt von Hannes Kahl entwickelt, mit dem Canonical Text Services-Referenzierungssystem verbunden, so dass ein verbindlicher Standard für das Zitieren antiker Quellen aus Volltextdatenbanken geschaffen wird.
Zur Demonstration und zum beispielhaften Beleg präsentiert das Projekt einen annotierten Fall von CTS/CITE für die Periklesvita von Plutarch (gefördert durch die Andrew W. Mellon Foundation, New York, in Kooperation mit Christopher Blackwell, Furman University, Greenville SC). Das Ergebnis wird die entwickelte Form von CTS mit den Ergebnissen der eAQUA-Textanalyse und den Vergleichsergebnissen des eComparatio-Projekts verbinden.
Godfried Croenen, Liverpool:
The Online Froissart. A Digital Edition of the Chronicles of Jean Froissart
Jean Froissart’s Chronicles are the single most extensive narrative account of the first part of the Hundred Years War (c. 1326-1400). The prose text in Middle French deals with the conflict between the English and French monarchs in the later Middle Ages and a number of other historical developments and conflicts in Western Europe and in the Mediterranean in this same period. The Chronicles were written, added to, and rewritten by the author over a period of several decades, which resulted in a text of more than 1.5 million words. The manuscript transmission, which reflects in part these authorial rewritings, comprises more than 160 volumes and fragments, poses an almost unsurmountable obstacle to any potential editor of the text, who not only needs to deal with the sheer size of the text and the complexity of the different authorial and scribal versions and their relationships amongst each other and with other text, but also has to provide annotation on a wide-ranging historical narrative. The Online Froissart project, which aims to develop a new understanding of the text and of its genesis, has therefore decided to adopt a DH approach to this research problem by developing a hybrid digital online edition. The website provides users with a number of resources that would not be available in the case of a traditional printed edition, including transcriptions of several complete witnesses and sample transcriptions of all manuscripts, full high-resolution reproductions of select manuscripts, and extensive historical and textual annotation. The interface also includes a number of tools that allow the user to exploit for himself the materials, including a word-for-word collation engine, different display modes for parallel display of the materials (transcription-facsimile, transcription-translation, transcription of up to four different witnesses), and various ways of accessing the data, including a powerful search engine, and various entry points into the text via summaries of the text or coordinates of existing printed editions (page and chapter numbers). In my presentation I will present some of the advantages of such a digital approach and also reflect on challenges it poses.
Georg Vogeler, Graz, Susanna Burghartz, Basel:
Mehrwert für die Forschung: Digitales Edieren am Beispiel der Basler Jahrrechnungen im 16. Jahrhundert
Digitale Editionen zur Aufbereitung von Quellen für die Forschung sind ein Vorreiter im Feld der Digitalen Geisteswissenschaften, denn sie schaffen gegenüber klassischen, analogen Editionen einen erheblichen Mehrwert. Dies gilt in besonderem Maße für Quellen, die sowohl qualitativ wie quantitativ ausgewertet werden sollen. Die im Februar 2016 als Kooperationsprojekt der Referenten erstellte digitale Edition der Jahrrechnungen der Stadt Basel für die Jahre 1535/36 bis 1610/11 (http://gams.uni-graz.at/srbas), die gewissermaßen eine Fortsetzung zur gedruckten Edition der Jahrrechnungen der Stadt Basel für die Jahre von 1360/61 bis 1534/35 von Bernhard Harms ist, ist ein praktisches Beispiel für diesen Nutzen. Während Historikerinnen und Historiker bei der Arbeit mit der Edition von Harms sämtliche nummerischen Angaben erst nachträglich in einer (wie auch immer gearteten) Datenbank erfassen mussten, bevor sie mit ihnen rechnen konnten, stellt die digitale Edition bereits standardisierte Umrechnungen der verschiedenen Buchungskonten und deren Visualisierung in Grafiken zur Verfügung und erlaubt es, vom Benutzer ausgewählte Angaben in der Quellen aus der digitalen Edition direkt in Standardsoftware zur Tabellenkalkulation zu exportieren.
Text-mining
Jaap Verheul, Pim Huijnen, Utrecht:
Texcavator as a Tool for Cultural Text Mining in Historical Newspaper Repositories
Die Geschichtswissenschaften werden seit einiger Zeit mit einer stetig wachsenden Verfügbarkeit von digitalisierten historischen Datensätzen konfrontiert. In den Niederlanden hat die Nationalbibliothek (KB) in den letzten Jahren rund 9 Millionen Seiten historischer Zeitungen digitalisiert. Um diesen massiven Korpus mithilfe von quantitativen Analysemethoden für die (kultur)historische Forschung zu erschließen, wurde an der Universität Utrecht im Rahmen des Digital Humanities Projektes „Translantis“ das Textanalyse Tool „Texcavator“ entwickelt. Die bisherigen Erfahrungen im Translantis-Projekt haben gezeigt, dass die Funktionalitäten von Texcavator insbesondere dazu geeignet sind, der Begriffsgeschichte neue Impulse zu verleihen. Dabei ist nicht nur an Frequenz- und Kookkurenzanalysen von Wörtern oder Queries über Zeit zu denken. Wie in der Präsentation gezeigt werden soll, geht es vor allem um die Visualisierung von sich über die Zeit ändernden Clustern semantisch ähnlicher Wörter auf Basis von modernster Wordvektor-Techniken.
Thomas Werneke, Potsdam:
Textmining und NLP: Das DDR-Pressekorpus und das Kollokationsanalysetool DiaCollo als Anwendungsbeispiele digitaler Ressourcen in der Geschichtswissenschaft
Der Beitrag „Das DDR-Pressekorpus und Diacollo“ stellt erste Ergebnisse einer Auswertung von DDR-Printmedien mit Hilfe von digitalen Analyseverfahren im Rahmen des Forschungsverbundes CLARIN-D vor. Er verhandelt dabei die Frage, wie sich hermeneutische Verfahren mit dem sogenannten „distant reading“ fruchtbar verknüpfen lassen und somit eine historische Semantik methodisch erweitern.
Durch die Aufwertung des Portals als CLARIN-D-Ressource werden der Forschung neue Möglichkeiten geboten, Hypothesen zur Charakteristik des Sprachgebrauchs in der DDR sowie zum Sprachwandel in DDR-Medien empirisch zu stützen. Dazu zählen unter anderem statistische Auswertungs- und Visualisierungsmöglichkeiten. Die Integration des DDR-Presseportals in die Infrastruktur von CLARIN-D bildet zudem die Grundlage, um die Potentiale computerlinguistischer Analysetools in den Geschichtswissenschaften einer breiteren Fachöffentlichkeit vorzustellen.
Vorgestellt wird in diesem Zusammenhang das digitale Analysewerkzeug „DiaCollo“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaft, mit dem sich Kollokationen (häufige Begleiter) von Begriffen im historischen Verlauf untersuchen lassen.
Netzwerkanalyse und biographische Datenbanken
Marten Düring, Luxembourg:
Verdeckte soziale Netzwerke im Nationalsozialismus. Die Entstehung und Arbeitsweise von Berliner Hilfsnetzwerken für verfolgte Juden
Wie und warum haben Menschen verfolgten Juden in Berlin beim Überleben geholfen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Einbettung in soziale Strukturen und der konkret geleisteten Hilfe? Um diese Frage genauer untersuchen zu können, bietet es sich an, die sozialen Beziehungen der Beteiligten systematisch zu erfassen und die zugrundeliegenden sozialen Netzwerke zu rekonstruieren. Der Vortrag wird anhand publizierter und unpublizierter Quellen zu sechs Berliner Hilfsnetzwerken das methodische Vorgehen bei der Erfassung und Visualisierung von Sozialbeziehungen beschreiben.
Dagmar Mrozik, Wuppertal:
The Jesuit Science Network. Einsatz von digitalen Methoden in der Wissenschaftsgeschichte
In meinem Vortrag möchte ich mit dem Jesuit Science Network mein Dissertationsprojekt vorstellen und den Weg nachzeichnen, den es vom rein theoretischen Forschungsinteresse an Jesuiten in den frühneuzeitlichen Wissenschaften hin zur praktischen Umsetzung in einer biographischen Datenbank und Website genommen hat. Dabei möchte ich darlegen, wie das Wissen, die Ideen und die Anforderungen aus historischer Sicht mit dem tatsächlich Möglichen und Umsetzbaren aus technischer Sicht aufeinandertreffen, sich gegenseitig beeinflussen und das gesamte Projekt entsprechend formen.
Historische GIS – Visualisierung
Yvonne Rommelfänger, Trier, Niklas Alt, Trier:
Vom gedruckten Werk zum Digitalen Atlas – Möglichkeiten und Herausforderungen des Digitalen
Das Projekt Digital Atlas of European Historiography since 1800 hat zum Ziel, ein frei zugängliches, webbasiertes historisch-geographisches Informationssystem zur europäischen Historiographie¬geschichte aufzubauen. Dabei sollen für alle Staaten Europas die institutionellen Rahmenbedingungen für die Professionalisierung und Verwissenschaftlichung der Historiographie im 19. und 20. Jahrhundert dokumentiert werden.
Der sich im Aufbau befindliche digitale Atlas geht über die Möglichkeiten des gedruckten Werks hinaus und bietet einen neuen, erweiterten Zugang zu den gesammelten Daten zu historischen Lehrstühlen und Professuren, Akademien und Forschungseinrichtungen, Museen, Archiven, Geschichtsvereine und Zeitschriften.
Dafür wurden die Daten in die an der Universität Trier entwickelte virtuelle Forschungsumgebung FuD importiert und aufbereitet. Die Informationsübertragung in das onlinebasierte geographische Informationssystem erfolgt über eine standartisierte Geo(Json)-Schnittstelle. Durch den Einsatz der etablierten virtuellen Forschungsumgebung werden die Möglichkeiten für eine kontinuierliche, kolloborative Bearbeitung der Datengrundlage und deren nachhaltige Langzeitarchivierung geschaffen. Die dafür nötige Verwendung offener Standards und freier Software sind zentrale Aspekte des Projekts.
Piotr Kuroczynski, Marburg:
Digitale 3D Rekonstruktionen in virtuellen Forschungsumgebungen
Die Tendenz der letzten Jahre zeigt uns zum einen den Trend zur Strukturierung, semantischen Anreicherung und Vernetzung der Daten, zu anderen zur dreidimensionalen (Informations-)Visualisierung. Begriffe wie Web 3.0 (Semantic Web) und Web3D markieren den kommenden Entwicklungsschritt im Internet. Welche Rolle können dabei rechnergestützte 3D-Rekonstruktionen für die historische Auseinandersetzung mit der gebauten Umwelt und deren Vermittlung spielen? Wie sieht eine Virtuelle Forschungsumgebung für 3D-Datensätze aus?
Anhand laufender und avisierter Projekte zu zerstörten Barockschlössern in ehem. Ostpreußen und zur Geschichte der Stadt Lodz wird das Potenzial und die Herausforderungen von digitalen 3D-Modellen für die Forschung und Re-Kontextualisierung von authentischen Objekten, zum einen in situ (im Freien), zum anderen in den Museen vorgestellt.
Der Beitrag stellt »eine Sprache der Objekte« vor, welche den Prototypen eines interaktiven webbasierten »Virtuellen Museums« in Verbindung mit »Augmented Reality« ermöglicht, bei dem das digitale 3D-Modell den klassischen Anforderungen von Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln im Zeitalter vom Web 3.0 und Web3D gerecht wird.
Zeit
(Donnerstag) 9:00 - 13:15
Ort
HOF-221
Hauptgebäude Ostflügel
Überblick
(Rüdiger Hohls, Berlin, Katja Naumann, Leipzig) Podiumsdiskussion • Silke Hensel, Münster • Rüdiger Hohls, Berlin • Christoph Kümmel, Bonn • Matthias Middell, Leipzig • Martin Schulze Wessel, München Moderation: Katja Naumann
Überblick
(Rüdiger Hohls, Berlin, Katja Naumann, Leipzig)
Podiumsdiskussion
• Silke Hensel, Münster
• Rüdiger Hohls, Berlin
• Christoph Kümmel, Bonn
• Matthias Middell, Leipzig
• Martin Schulze Wessel, München
Moderation: Katja Naumann
Zeit
(Freitag) 9:00 - 11:00
Ort
HWF-121
Hauptgebäude Westflügel
Überblick
(Gregor Horstkemper, München) Podiumsdiskussion -Christoph Cornelissen, Frankfurt -Gregor Horstkemper, München -Ruth Sindt, Kiel -Helmuth Trischler, München -Eva Schlotheuber, Düsseldorf
Überblick
(Gregor Horstkemper, München)
Podiumsdiskussion
-Christoph Cornelissen, Frankfurt
-Gregor Horstkemper, München
-Ruth Sindt, Kiel
-Helmuth Trischler, München
-Eva Schlotheuber, Düsseldorf