Zwischen republikanischer Tradition und kaiserzeitlicher Realität. Der soziale Abstieg von Senatoren und die senatorischen Rollenbilder im frühen Principat

ANDREAS KLINGENBERG (Köln)

Abstract:

In der von Augustus geschaffenen Principatsordnung bildeten die Mitglieder des Senats weiterhin die soziale und politische Elite des Römischen Reiches. Die Rangordnung innerhalb dieser Gruppe wurde wie in Zeiten der Republik durch die Bekleidung von Ämtern und Funktionen ausgehandelt. Diese waren daher für das Verständnis der Senatoren von ihrer gesellschaftlichen Rolle und ihrem Lebensentwurf von grundlegender Bedeutung. Unter den neuen Machtstrukturen der Kaiserzeit hatten sich indes die Rahmenbedingungen für die aristokratische Konkurrenz geändert, was sich auf die Formen der Austragung dieses Wettbewerbs auswirkte.
In einem Wettbewerb gibt es neben Gewinnern notwendigerweise auch Verlierer, die für die Kaiserzeit in großer Zahl zutage treten. Das Spektrum persönlicher Mißerfolge von Senatoren reichte von einmaligen Wahlniederlagen über deutlich verlangsamte oder gar stagnierende Karrieren bis hin zum vollständigen Ausschluß aus dem Senat. Die beiden erstgenannten Aspekte konnten sich im Einzelfall als temporäre Rückschläge erweisen. Anders verhielt es sich mit dem Ausscheiden aus dem Senat. Für die Betroffenen war das ein gravierender sozialer Abstieg. Mit dem Sitz im Senat verloren sie Rang, Status, Reputation, Prestige und Einfluß.
Die Gründe für einen Ausschluß konnten ganz unterschiedlich sein, jedoch bestand in nicht wenigen Abstiegsfällen direkt oder zumindest mittelbar ein Zusammenhang mit der aristokratischen Konkurrenzsituation. Eine nähere Betrachtung dieser Verlierer ist insofern im Hinblick auf die senatorischen Rollenbilder der Kaiserzeit im Ganzen aufschlußreich. Von Interesse sind hierbei Verhalten, Bewältigungs- und eventuelle Kompensationsbemühungen der Betroffenen einerseits, die Vorbeugungs- und Vermeidungsstrategien der senatorischen Elite insgesamt andererseits.

English Version:

In the Augustan system of the Principate the members of the Senate continued to be the social and political elite of the Roman Empire. The hierarchy inside this group was negotiated through the tenure of magistracies and similar positions. These were, as in Republican times, of fundamental importance for the self-fashioning of senators with regard to their social role and their lifestyle. Under the new power structures of the Roman Empire the framework of the aristocratic competition had changed. That had an effect on the forms of that competition as well.
Necessarily, besides winners, there are many losers coming out of competitions. These were particularly numerous in the Principate. Personal failure of senators could take various forms, ranging from electoral defeats through noticeably slowed or stagnant careers to the complete expulsion from the senate. The two aspects named first could in fact prove to be only temporary setbacks. Expulsion from the senate was a different matter, however, resulting in serious social descent of the affected persons: They did not only lose their seats in the senate but also their rank, status, reputation, prestige and influence.
Such an expulsion could have various reasons; but in quite a few cases direct or at least indirect causal relationships between the expulsion and the aristocratic competition can be detected. Therefore, a closer look at the losers is instructive with regard to the whole complex of senatorial role models in the Imperial Age. Topics of interest comprise on one hand the behaviour of those former senators, their coping or compensation strategies, on the other hand the prevention and avoidance strategies of the senatorial elite as a whole.