„Politische Zahlen“. Statistik als neuartige Messlatte staatlichen Erfolgs

LARS BEHRISCH (Utrecht)

Abstract:

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfuhr die zahlenmäßige Bemessung von Staaten und ihrer Politik – also das, was wir heute als „Statistik“ bezeichnen – eine plötzliche Konjunktur. Dies war vor allem einer gesteigerten Aufmerksamkeit für demographische, agrarische und gewerbliche Ressourcen, für die Mechanismen ihres Zusammenspiels und für ihre Wachstumspotentiale geschuldet – eine Aufmerksamkeit, die durch ihre statistische Bemessung und Abbildung weiter gefördert wurde. Im Spiegel von Zahlen und Berechnungen bemaßen und verglichen viele Regierungen nun die Erfolge, die sie in ihrer Wirtschafts- und Bevölkerungspolitik erzielt zu haben glaubten, und präsentierten sich auf diese Weise als vernünftige, vorausschauende und auf das Wohl ihrer Untertanen bedachte Landesväter. Umgekehrt wurden sie aber auch von einer lesenden und schreibenden Öffentlichkeit an solchen „politischen Zahlen“ gemessen. Daraus resultierte eine zunehmende Bemessung politischen ‚Erfolgs’ an den Kriterien von materiellem Wachstum und funktionaler Effizienz.

English Version:

In the second half of the 18th century, the quantitative assessment of states and politics – i.e., statistics – witnessed a sudden breakthrough. This was mainly due to an increased interest in demographic, agrarian and commercial resources, for the mechanisms of their interplay and for their dynamic potential – an interest that was further advanced by their statistical measurement and presentation. In the light of figures and calculations, various governments now measured and compared the success they thought to have produced through their economic and demographic policies, and presented themselves as rational, provident and philanthropic rulers. At the same time, they were themselves being measured, through the lense of such “political figures”, by a reading and writing public. This led to an increasing assessment of political performance through the criteria of material growth and functional efficiency.