Sportliche Wettbewerbe in der frühneuzeitlichen Gesellschaft. Gewinnen und Verlieren im Kontext städtischer und ständischer Selbstdarstellung

WOLFGANG BEHRINGER (Saarbrücken)
Einleitung – Sportifizierung als Konzept. Das Beispiel der Ballspiele

ANGELA SCHATTNER (London)
Losing and winning money – Sportwetten als Praxis sportlichen Wettbewerbs im frühneuzeitlichen Großbritannien

ANN B. TLUSTY (Lewisburg)
Hometown Heroes and Good Sportsmanship: Winners and Losers in Early Modern Shooting Competitions

CHRISTIAN JASER (Berlin)
Concorrentia.
Organisation, Manipulation und Wahrnehmung des Wettbewerbs in oberdeutschen und italienischen Pferderennen des 15. Jahrhunderts

REBEKKA VON MALLINCKRODT (Bremen)
Wettläufe im 18. Jahrhundert – ein deutsch-englischer Vergleich

Abstract:
Im Zeitalter der Renaissance setzte eine Entwicklung ein, die zum einen den Bereich des militär-ähnlichen Kampfes, zum anderen den Bereich der populären Spiele einer neuen Form der Agonalität zuführt, die sich seither zu einer autonomen Sphäre des Sports mit eigenen Regeln der friedlichen Konfliktaustragung entwickelt hat. Gewinnen und Verlieren führt in dieser neuen Sphäre des Sports nicht mehr zu tödlichen Verletzungen oder dauerhaften kriegerischen Fehden, sondern ist Bestandteil eines regelmäßigen Kräftemessens zwischen Nachbarstädten, Stadtteilen oder Individuen. Während man in Teilen der Sportwissenschaft und der Sportsoziologie der Ansicht ist, dass diese „Spiele“ vor dem Zeitalter der Industrialisierung in einem religiös-rituellen Kontext stattgefunden hätten (Elias, Eichberg, Guttmann, etc.), können Frühneuzeithistoriker durch die Analyse serieller Quellen zeigen, dass die frühneuzeitlichen Wettkämpfe eine vollkommen säkulare Form des Sports repräsentieren. Diese nahmen freilich unter den Bedingungen der frühneuzeitlichen Gesellschaft andere Formen an, als wir dies seit dem 20. Jahrhundert gewöhnt sind. Die Sportgeschichte hat – trotz ihrer Fixierung auf sportlichen Begegnungen in Wettkämpfen – bisher kaum die sozialen Modalitäten und die Kategorie des Wettkampfs hinterfragt.
Die Sektion widmet sich der Kontextualisierung sportlicher Wettbewerbe in der Frühen Neuzeit. Die Referenten fragen, wie sich Wettkämpfe konstituierten, welche kulturellen und gesellschaftlichen Funktionen diese Wettbewerbe erfüllten und welche Vorstellungen die Zeitgenossen mit dem Wettbewerb, Gewinnen und Verlieren verbanden. Dazu werden nach einer konzeptuellen Einleitung zum Prozess der „Sportifizierung“ in der Frühen Neuzeit die sozialen Kontexte frühneuzeitlicher sportlicher Wettbewerbe an vier Beispielen beleuchtet. Untersucht werden die Wechselverhältnisse zwischen sozialem Stand, städtischer und männlicher Ehre, Beruf und Sport und wie diese wiederum die Wahrnehmung von Gewinnen und Verlieren prägten.

English Version:
The Renaissance saw a new development in which military-style contests and popular games were transformed by new modes of competition, leading to the development of sport as an autonomous sphere of non-violent conflict resolution with distinct rules. Winning and losing in this new area of sport no longer involved fatal injuries or long-lasting military feuds, but formed part of regular trials of strength between neighbouring cities, districts and individuals. While some historians and sociologists of sport hold the view that before industrialisation these ‘games’ took place in a religious or ritual context (Elias, Eichberg, Guttmann, etc.), new research by historians of the early modern period working on serial sources has shown that early modern sporting competitions were totally secular. Certainly, in the context of early modern society these competitions were different from what we are accustomed to in their twentieth-century counterparts. However, historians of sport – although they concentrate on various forms of sports competitions – have so far hardly examined social modalities or the category of competition as such.
This panel contextualises early modern sporting competitions. The speakers ask how they were socially constituted; what social and cultural functions they fulfilled; and what ideas contemporaries associated with them, and with winning and losing. After an introduction on the concept of ‘sportification’ in the early modern period, four case studies will analyse the social contexts of early modern sports competitions. The focus will be on the interrelationships between social standing, concepts of municipal and masculine honour, and sport and profession, and how they influenced perceptions of winning and losing.