„Sicherheit & Geheimnis in der Demokratie“. Geheimdienste in der Bundesrepublik seit 1945 im transatlantischen Kontext

CONSTANTIN GOSCHLER (Bochum)
Einführung und Moderation

MICHAEL WALA (Bochum)
Transatlantische Sicherheitsarchitektur im frühen Kalten Krieg. CIA, CIC und Bundesamt für Verfassungsschutz

KLAUS-DIETMAR HENKE (Dresden)
Geheimdienstwissen als politische Ressource. Der BND als Werkzeug der Kanzlerdemokratie

CONSTANTIN GOSCHLER (Bochum)
„Epistemologie der Feindschaft“ ? Nachrichtendienstliches Wissen und Gefahrenkonstruktion im Verfassungsschutz (1950-1975)

ANNA DAUN (Köln)
Bedrohungswahrnehmung von Individuen, Organisationen und Öffentlichkeiten in Demokratien

Abstract:
In jüngerer Zeit wendet sich die zeithistorische Forschung verstärkt den geheimen Nachrichten­diensten in der Bundesrepublik zu. Mehrere Forschungsprojekte widmen sich so gegenwärtig unter anderem der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz. In dieser Sektion soll die Geschichte der Geheimdienste in der Bundes­republik aber nicht nur als Nachgeschichte des Nationalsozialismus oder Folge des Kalten Krieges, sondern vor allem als Vorgeschichte des nach wie vor aktuellen Spannungsverhältnisses von Sicherheit und Geheimnis in der Demokratie diskutiert werden. Im Mittelpunkt der Vorträge steht die Gegensätzlichkeit von staatlicher Sicherheitsproduktion und behördlicher Geheimniskultur einerseits und demokratischen Partizipationsansprüchen und gesellschaftlichen Forderungen nach Öffentlichkeit andererseits. Die Beschäftigung mit diesem bisher weitgehend verborgenen Arkanbereich der Geschichte der Bundesrepublik erschließt ein neues zeithistorisch hochrelevantes Themenfeld.
Unsere Sektion wird sich diesem Themenfeld über die politische Geschichte und die Geschichte der internationalen Beziehungen nähern. Ausgehend von der Zeit des Kalten Krieges werden die grundsätzlichen Veränderungen in der sich daran anschließenden Epoche untersucht und mit Aspekten der Wissensgeschichte in einem doppelten Zugriff verbunden: Erstens geht es um das Spannungsverhältnis von Sicherheit und Gefahr. Aus dieser Perspektive sollen die bundesdeutschen Inlands- und Auslandsnachrichtendienste nach 1945 als Orte der Sicherheits- und Gefahrenproduktion wie auch der Sicherheits- und Gefahrenkommunikation betrachtet werden. Ein zweiter damit eng verbundener Aspekt betrifft das Spannungsverhältnis von Öffentlichkeit und Geheimnis. Hier geht es um den Konflikt zwischen dem Selbstverständnis der Nachrichtendienste als Produzenten eines für die Souveränität des modernen Staates notwendigen Arkanwissens und dem Anspruch demokratischer Gesellschaften auf Öffentlichkeit und Kontrolle dieser Wissensproduktion und seiner Methoden.

English Version:
Contemporary history only recently started investigating intelligence agencies in the Federal Republic of Germany. Currently, two research projects are devoted to the history of the Federal Intelligence Service and the Federal Office for the Protection of the Constitution. This section will discuss the history of intelligence agencies in the Federal Republic as a post-“Third Reich” history and as part of the Cold War, as well as a seminal part of the prehistory of the Federal Republic thus also addressing the contemporary dichotomy of security and arcanum in liberal democracies. The focus of the papers will be on the conflict of governmental security production and administrative cultures of secrets on the one hand and democratic expectations for participation and societal insistence on public assessment of secret knowledge on the other. Recently granted access to hitherto unavailable sources will shed light on this so-far mostly neglected aspect of the history of the Federal Republic, thus opening up a new and highly relevant field of inquiry for historical research.
Our panel will put this field of investigation both in the perspective of political history and of the history of international relations. Starting with Cold War history, the fundamental developments of the following decades will be discussed, and in combination with aspects of history of knowledge a double approach shall be proposed: West German internal and external intelligence agencies after 1945 will be analyzed as places both of production and communication of security and risks, addressing the tension between safety and danger. Closely related is the contrariness of arcanum and public knowledge, the conflict between the self-conception of intelligence agencies as producers of security by utilization of secret knowledge and methods held to be essential for the sovereignty of the modern state, and the expectation of liberal democratic societies to publically assess and control this arcanum.