Lebensraum und Volksgemeinschaft

SUSANNE HEIM (Berlin) Moderation und Einführung DANIEL SIEMENS (Bielefeld) Schwert und Pflug. Die Ansiedlung von SA-Männern in den eroberten Ostgebieten, 1938-1944 ARMIN NOLZEN (Warburg) Organisierte „Volksgemeinschaft“. Volksdeutsche Sammlungsbewegungen als Vorfeldorganisationen der NSDAP, 1939-1945 GERHARD WOLF (Sussex) “Volksgemeinschaft” ohne Grenzen. Die besetzten westpolnischen Gebiete als Experimentierfeld ALEXA STILLER (Bern) „Menscheneinsatz” und „Volksgemeinschaft” . Die Siedlungspolitik und -praxis des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums MICHAEL WILDT (Berlin) Kommentar

Abstract:
Seit einigen Jahren wird in der Geschichtswissenschaft intensiv über die Reichweite und den analytischen Mehrwert des Konzepts der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ debattiert. Unbestritten ist dabei, dass dieses Ideal, verstanden als ethnisch und politisch homogene Gemeinschaft, bei vielen Deutschen zwischen 1933 und 1945 breiten Anklang fand. Unbestritten ist auch, dass damit Energien freigesetzt wurden, welche die destruktiven Potentiale des NS-Regimes erst voll zur Entfaltung brachten. In der bisherigen Forschung ist dies jedoch vor allem an Ein- und Ausschließungsprozessen innerhalb des Deutschen Reiches untersucht worden. Was dabei verlorenzugehen droht sind die Radikalisierungsimpulse für die deutsche Besatzungs- und Germanisierungspolitik, vor allem in Osteuropa. Hier setzen die Beiträge dieses Panels an. Von der Prämisse ausgehend, dass der nationalsozialistische Drang nach „Lebensraum“ immer schon eine konkrete Vorstellung von Gemeinschaft implizierte und nicht unabhängig von dieser zu untersuchen ist, nehmen sie die Akteure des Regimes in den Blick, die an zentraler Stelle die Ausweitung der „Volksgemeinschaft“ auf die besetzten Gebiete jenseits der Reichsgrenzen vorantrieben. Besonders wichtig ist es uns, die Verschränkungen zwischen der täglichen Praxis der Besetzungsherrschaft und den zugrundliegenden utopischen Zielvorstellungen eines „großgermanischen Reiches deutscher Nation“ herauszuarbeiten. Die Vorträge dieses Panels zeigen insgesamt die hohe Bedeutung einer volksgemeinschaftlich ausgerichteten Germanisierungspolitik im „Dritten Reich“, und zwar in doppelter Perspektive: sie fungierte sowohl als Erfahrungs- wie Erwartungsraum (Reinhart Koselleck) der Zeitgenossen wie auch als verbindendes Glied zwischen Innen- und Außenpolitik, die im Hinblick auf das NS-Regime stets zusammengedacht werden müssen. Damit leistet dieses Panel nicht zuletzt auch einen Beitrag zur bislang erst rudimentären Historisierung dieses Verhältnisses.

English Version:
Lebensraum and People’s Community Over the last few years, historians engage in a heated debate about the reach and analytical value of the notion of the National Socialist Volksgemeinschaft. The fact that the ideal of an ethnically and politically homogenous community has been largely popular with the Germans in the years between 1933 and 1945 remains as uncontested as the fact that the energies released by this imaginary crucially contributed to an unfolding of the destructive potential of the NS regime. Past research, however, has investigated this issue largely in terms of processes of inclusion and exclusion within the German Reich, thus risking a marginalisation of the radicalising impulses that had been vital to German occupation and Germanisation policies, above all in Eastern Europe. This is where this panel seeks to intervene. Starting from the premise that the National Socialist quest for Lebensraum had always involved a concrete ideal of community that cannot be analysed apart from it, our contributions focus on the actors of the regime crucial in expanding the Volksgemeinschaft beyond the borders of the Reich to include the occupied territories. In this context we will stress the entanglement between ordinary practices of occupational rule, on the one hand, and its utopian telos of a ‘Great Germanic Reich of German Nationality’, on the other. The contributions of this panel make the impact of the notion of Volksgemeinschaft on the Third Reich’s Germanisation policies plain: firstly, for the contemporaries it functioned as a ‘space for experiences and expectations’ (Reinhart Koselleck) and secondly, it served as a link between foreign and domestic politics. Arguing that the internal and foreign matters of the Third Reich cannot be understood apart from each other, this panel also seeks to advance a more nuanced understanding of this relationship, which, hitherto, has not been sufficiently explored.