„Gewinner oder Verlierer?“. Das historische Urteil im Geschichtsunterricht als Qualitätsmerkmal und Desiderat

JOHANNES HEINSSEN (Stade)
Einführung: Das historische Urteil im Geschichtsunterricht zwischen Theorie und Praxis, Wunsch und Wirklichkeit

AXEL BECKER (Hannover)
Erzählungen über Sein und Sollen. Historische Urteilsbildung im Geschichtsunterricht

CHRISTIAN MEHR (Fankfurt am Main)
Wenn die Verlierer gewinnen. Der Geschichtsunterricht zwischen normativen Ansprüchen und fachlichen Erkenntnisinteressen

ULRICH HAGEMANN (Berlin)
Urteilsbildung im Geschichts- und Politikunterricht. Eine legitime Grenzüberschreitung?

ELKE LANGENDORF (Verden (Aller))
Historische Sinnbildung und der Sinn des Geschichtsunterrichts

HANS-JOACHIM MÜLLER (Delmenhorst)
Urteilen in der Sekundarstufe I. Beispiele für die unterrichtliche Praxis

Abstract:
Kompetenzorientierter Geschichtsunterricht heißt Geschichte als „Denkfach“ zu unterrichten – ein hoher Anspruch, der längst in der Welt war, bevor die Kompetenzorientierung in die Welt gesetzt wurde. Dennoch ist er in der Breite bislang nur unzureichend umgesetzt, wie die Beobachtung von Unterricht in der zweiten Phase der Ausbildung, aber auch bei bereits ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern zeigt. Anscheinend stellt das Unterrichtsfach Geschichte hohe Anforderungen an die Unterrichtenden; seine Didaktik, das zeigen subjektive Erfahrungen der Auszubildenden, aber auch die Ergebnisse der Examina der zweiten Phase, ist eine der schwierigsten des Fächerkanons.
Kompetentes Geschichtslehren, so ließen sich die hohen Ansprüche aus der Sicht der Unterrichtenden formulieren, erfordert breite Orientierung im Fachwissen, die Fähigkeit zur didaktischen (Re-)Konstruktion, eine umfassende kategoriale Bildung und die wache, politisch interessierte Zeitgenossenschaft auf der Suche nach Gegenwartsbezügen. Alle zusammen stellen das Potenzial zur kritischen Überprüfung und Reflexion von historischen Sachverhalten bereit. Perspektivität (Multiperspektivität, Kontro¬ver¬sität und Pluralität) ist ein wichtiges Basiskonzept des historischen Urteilens.
Was sind historische Urteile? Wie sind sie aufgebaut? Wie kann man sie schulen? Welche Rahmenbedingungen erfordert der Erwerb von Urteilskompetenz? Welche Kriterien bieten sich für das historische Urteil im Geschichtsunterricht an?
Die geplante Sektion unternimmt den Versuch, das Feld des historischen Urteils zu analysieren und daraus Folgerungen für die Unterrichtspraxis abzuleiten. Es ist beabsichtigt, die Brücke zwischen den Einsichten universitärer Geschichtsdidaktik und der Praxis der Schulen und Studienseminare zu schlagen, weshalb Referentinnen und Referenten aus beiden Bereichen die Sektion bestreiten werden. Zugleich sollen Brückenschläge zur Urteilsbildung in den Nachbarfächern geschlagen werden.

English Version:
German history lessons and didactics traditionally aim at the ability to judge and reflect as main operations and competences to be achieved by pupils and students. Although claimed unanimously, experience often reveals severe problems in structuring learning processes that fulfil this ambition.  These operations apparently set a demanding task for the teacher as they require a broad knowledge of historical facts as well as political interest and attentiveness to social and cultural problems relevant to the present.
This section will revisit the topic by reflecting on theoretical and practical approaches throwing a light on premises, processes of reconstruction and deconstruction, the role of historical narrativity and the question of historical meaning. Examples of teaching practices will be given.
The lectures will represent historical didactics research at university as well as teacher training at grammar schools during the second (practical) phase of teacher education in Germany.