AND THE WINNER TAKES IT ALL? Gewinnen und Verlieren an den europäischen Höfen des Mittelalters

CHRISTOPH MAUNTEL (Heidelberg) und SEBASTIAN ZANKE (München/Speyer)
Gewinnen und Verlieren am Hof – eine Einführung

JAN HIRSCHBIEGEL (Kiel)
Herr und Diener: Auf den Spuren des Vertrauens.
Zu Mechanik und Funktion höfischer Beziehungen

KLAUS OSCHEMA (Heidelberg)
Freund oder Favorit: Strategien zur Gewinnung und Sicherung von Gunst

CHRISTOPH MAUNTEL (Heidelberg)
Konkurrenz und Kooperation: Favoriten und Adelsparteien im höfischen Umfeld

SEBASTIAN ZANKE (München/Speyer)
Herrschaft und Krise: Die Dynamik (in) der Beziehung

Abstract:
Mittelalterliche Höfe waren komplexe soziale Gebilde, die aus fragilen Beziehungsnetzwerken bestanden und einem besonderen Reglement unterworfen waren. Dabei war das Miteinander der Höflinge zumeist auf die Person des Fürsten und seinen Zuspruch ausgerichtet. Doch ‚Gunst’ war ein beschränktes Gut und die Konkurrenz hierum konnte sich auf das gesamte Hofgefüge auswirken. Wo ‚Gewinner’ emporstiegen, fanden sich alsbald auch ‚Verlierer’ wieder, der Zuwendung des Herrschers und einer Position in seiner Nähe entzogen. Mit unserem Panel möchten wir die Dynamiken und Mechanismen in den Blick nehmen, die bei der Rivalität um Gunst und Patronage am mittelalterlichen Hof zum Tragen kamen und über Erfolg und Misserfolg am Hof (mit)entschieden.
Hierbei scheint die Frage nach den ‚Favoriten’ bedeutsam, also Höflinge, die sich der besonderen Zuwendung des Herrschers erfreuten und deren Karriere auf der entsprechenden Zuweisung von Privilegien, Ämtern und anderen Gunsterweisen beruhte. Doch steiler Aufstieg und tiefer Fall lagen in der höfischen Welt nahe beieinander und so wurden manche Favoriten aufgrund ihres (tatsächlichen oder zugeschriebenen) Einflusses häufig für politische Krisen verantwortlich gemacht und stellvertretend für den Herrscher zur Rechenschaft gezogen. Aus erfolgreichen Höflinge wurden so im höfischen Diskurs ‚Günstlinge‘. Hier ist die Frage der Zuschreibung von wesentlicher Relevanz: Machte die besondere Gunst, der Sturz oder schlicht die äußere Charakterisierung den Günstling aus? War sein Sturz zwangsläufig und damit der nicht stürzende (unerkannte) Favorit letztlich der eigentliche Gewinner am Hof?
Mit diesen Gedanken folgt die Sektion dem Motto des Historikertags und fragt gleichermaßen nach ‚Gewinnern’ und ‚Verlierern’ an mittelalterlichen Höfen. Hierbei erfolgt der Zugriff nicht über die Günstlinge selbst, sondern über den Begriff der Gunst. Aus vier spezifischen Perspektiven wird gefragt, wie das Konzept der ‚Gunst‘ in der Theorie ausdifferenziert werden kann und wie es in der Praxis funktionierte, welche alternativen Interpretationsmuster (Vertrauen/Freundschaft) denkbar sind, welche Handlungsspielräume sich durch Gunstverteilung ergaben oder durch Gunstentzug verschlossen und wie diese Mechanismen durch andere Hofparteien oder die Dynamik historischer Entwicklungen beeinflusst wurden.

English Version:
The panel discusses the phenomen of favouritism at medieval European courts by focusing on the concept of ‘favour’. This topic will be approached in four perspectives: the concept of ‘favour’ granted or withdrawn by the ruler, courtiers’ strategies for gaining benefits, the rivalries between different courtly groups and the influence of historical developments on the rise and fall of favourites. On a methodological level, traditional interpretations and the importance of underlying structures, like social networks and unwritten rules, will be reconsidered and concepts of friendship and trust discussed in order to gain new insights into a basic phenomenon of socio-cultural history.